Teure Mahnschreiben
Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung eines Rechtsanwalts bestätigt, der Entwürfe für anwaltliche Mahnschreiben an die Kunden von sog. Gewinnspieleintragungsdiensten erstellt hatte. Wie die Vorinstanz (LG Essen, Urteil vom 13.12.2012 – 59 KLs 1/12) sah der BGH den Tatbestand einer (versuchten) Nötigung verwirklicht und bestätigte die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe.
Im Vorfeld war zahlreichen Menschen über Callcenter angeboten worden, sie gegen Zahlung eines Geldbetrags in Gewinnspiele einzutragen. Die Eintragung wurde jedoch nicht vorgenommen.
Um dennoch an die „Gebühren“ zu gelangen, beauftragte der gesondert verurteilte Verantwortliche des Gewinnspieleintragungsdienstes den Rechtsanwalt mit dem Entwurf für Mahnschreiben.
In den Mahnschreiben wurde sodann der Eindruck erweckt, der Rechtsanwalt habe die Forderungen geprüft und werde sie konsequent gerichtlich verfolgen, sollte eine Zahlung ausbleiben, und Anzeige wegen Betrugs erstatten.
In Wirklichkeit kannte der Anwalt die Empfänger der Mahnschreiben jedoch nicht und hatte auch nicht vor, die Forderungen gerichtlich geltend zu machen.
Das Landgericht hat hierin eine strafbare Nötigung gesehen.
Im Sinne von § 240 I StGB macht sich strafbar, wer
(1) … einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt.
Das Inaussichtstellen einer Strafanzeige ist dabei als Drohung mit einem empfindlichen Übel anzusehen, die Überweisung der Gebühren ist eine abgenötigte Handlung.
Entscheidend ist jedoch die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit, die bei § 240 I StGB anders als in den meisten anderen Fällen nicht durch die Tatbestandsverwirlichung indiziert ist, sondern gesondert festgestellt werden muss und den Tatbestand dadurch erheblich einschränkt. „Rechtswidrig“ im Sinne von § 240 I StGB ist in § 240 II StGB legaldefiniert:
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
Der BGH hat es zutreffend als mit den „Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar“ angesehen, dass „juristische Laien durch Behauptungen und Androhungen, die der Rechtsanwalt mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgesprochen hatte“, zur Begleichung der ungeprüften – im Ergebnis auch unberechtigten – Forderungen veranlasst werden sollten.
Zwei Dinge konnte das Landgericht jedoch nicht feststellen. Erstens war unklar, ob die angeschriebenen „Kunden“ gerade wegen der Drohung mit der Strafanzeige gezahlt hatten oder bereits deshalb, weil ihnen ein anwaltliches Mahnschreiben zugestellt worden war. Insofern blieb es in der Verurteilung beim Versuch.
Zweitens, und das dürfte sich auf die Strafhöhe deutlicher ausgewirkt haben – konnte nicht festgestellt werden, dass der Rechtsanwalt positiv wusste, dass die Forderungen unberechtigt waren, weil die Eintragung in die Gewinnspiele unterblieb, obwohl dem Rechtsanwalt von den Gesamteinnahmen in Höhe von 860.000 € allein für die Erstellung der Mahnschreibenentwürfe die großzügige Summe von 140.000 € ausgezahlt worden waren. Somit blieb es bei der Nötigung.