Abredewidrige Benutzung von Tankkarten – examensrelevante Entscheidung zum Computerbetrug
Der Tatbestand des Computerbetruges scheint momentan so aktuell zu sein wie schon lange nicht mehr. Erst in dieser Kampagne war er in Berlin in beiden Strafrechtsklausuren Prüfungsgegenstand. Zum einen in Form der gestohlenen ec-Karte, die am Bankautomaten des die Karte ausgebenden Kreditinstituts eingesetzt wurde, zum anderen im viel besprochenen Scannerkassenfall. Nun veröffentlichte das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz eine neue Entscheidung (Urteil vom 2.2.2015 – 2 OLG 3 Ss 170/14), in der es um die abredewidrige Benutzung einer vom Arbeitgeber ausgestellten Tankkarte ging. Wieder eine gängige Konstellation, die sich insbesondere Examenskandidaten noch einmal anschauen sollten.
Anlass des Urteils war folgender Sachverhalt: Der Angeklagte war als Auslieferungsfahrer bei einem Speditionsunternehmen beschäftigt und erhielt für berufliche Zwecke eine Tankkarte seines Arbeitgebers. Diese berechtigte ihn an Shell Tankstellen auf Kosten des Speditionsunternehmens zu tanken. Bei der Tankkarte handelt es sich um eine Codekarte, die wie eine ec-Karte im bargeldlosen Zahlungsverkehr eingesetzt wird. Beim Zahlungsvorgang wird die Karte in das entsprechende Lesegerät eingeschoben und die dazugehörige PIN eingegeben. Daraufhin prüft der Computer anhand der auf der Karte gespeicherten Daten, ob die eingegebene PIN zu der benutzten Tankkarte passt und belastet dann das Konto des Kartenausstellers mit dem eingegebenen Betrag. Der Angeklagte nutzte die Karte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen für dienstlich veranlasste Tankvorgänge. Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses behielt er die Tankkarte und verschaffte sich damit bei verschiedenen Tankstellen insgesamt 3.790 Liter Diesel im Wert von 5.334 €.
Das Amtsgericht Montabaur verurteilte den Angeklagten wegen gewerbsmäßig begangenen Computerbetrugs in 43 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten. Dagegen legte der Angeklagte Berufung ein, die vor dem Landgericht Koblenz mit einem Freispruch endete. Das OLG Koblenz musste sich nun aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft erneut mit dem Fall beschäftigen und kam zu dem Ergebnis, dass der Sachverhalt unter keinen Straftatbestand zu subsumieren ist.
Zunächst prüfte das OLG Koblenz dabei eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB gegenüber seinem Arbeitgeber an. Hier fehlte es jedoch schon an einer Täuschungshandlung. Eine solche würde eine Täuschung über Tatsachen voraussetzen und käme in dieser Konstellation nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber über die fehlende berufliche Veranlassung des Tankvorgangs getäuscht worden wäre. Dies kann etwa durch die Einreichung der entsprechenden Tankquittungen beim Arbeitgeber geschehen, wodurch konkludent wahrheitswidrig zum Ausdruck gebracht wird, die entsprechenden Tankvorgänge seien beruflich veranlasst gewesen. Die Vermögensverfügung würde nach Ansicht des OLG darin liegen, dass der Arbeitgeber es im Vertrauen auf die berufliche Verwendung der mit der Tankkarte bezahlten Waren unterlässt, Regressansprüche gegen den Arbeitnehmer geltend zu machen. Der Angeklagte hatte jedoch weder ausdrücklich noch konkludent zum Ausdruck gebracht, dass die Tankvorgänge beruflich veranlasst waren.
Auch einen Dreiecksbetrug gegenüber dem Tankstelleninhaber zu Lasten des Speditionsunternehmens lehnte das OLG ab. Zwar könne eine Täuschung darin gesehen werden, dass der Tankstellenbetreiber durch die Benutzung der Tankkarte darüber getäuscht wurde, der Angeklagte sei im Innenverhältnis zu dem Speditionsunternehmen noch zur Nutzung der Tankkarte berechtigt gewesen. Jedenfalls verfügten die Tankstellenbetreiber aber nicht über das Vermögen der Geschädigten, sondern über eigenes Vermögen. Zu einem Vermögensschaden bei den Tankstellenbetreibern kam es nicht, da die Bezahlung des Kraftstoffes durch den ordnungsgemäßen Einsatz der Tankkarte gesichert war.
Auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Computerbetruges in der Tatvariante der unbefugten Verwendung von Daten nach § 263a Abs. 1, 3. Alt. StGB lehnte das OLG Koblenz ab. Zwar habe er durch das Bezahlen mit der Tankkarte auf einen Datenverarbeitungsvorgang im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB eingewirkt. Denn die auf der Karte gespeicherten Informationen waren für eine im Wege der automatisierten Verarbeitung nutzbaren Darstellungsform kodiert und wurden eingesetzt, um Rechenergebnisse nach einem Computerprogramm zu erzielen, sodass es sich um ein Datenverarbeitungssystem handelte. Auf dieses wirkte der Angeklagte auch ein, als er das Computerprogramm veranlasste, die Übereinstimmung von Karte und PIN zu überprüfen und die Belastungsbuchung zu erreichen. Allerdings war die Einwirkung nicht unbefugt im Sinne des § 263a Abs. 1 Alt. 3 StGB.
Über die Auslegung des Merkmals „unbefugt“ sind sich Lehre und Rechtsprechung nicht einig. Während teilweise eine subjektive Auslegung vertreten wird, bei der jede Verwendung von Daten als unbefugt angesehen wird, die dem Willen des datenverfügungsberechtigten Vermögensträgers zuwider läuft, vertritt die Rechtsprechung wegen der Strukturgleichheit mit dem Betrugstatbestand eine betrugsspezifische Auslegung. Die Verwendung der Daten muss demnach auch gegenüber einem menschlichen Empfänger, der sich mit denselben Fragen befasst, die auch das Computerprogramm prüft, eine Täuschung darstellen würde.
Dies wäre nach Ansicht des OLG der Fall, wenn der Kartennutzer durch die Verwendung der Karte seine Berechtigung, diese mit Wissen und Wollen des Karteninhabers einsetzen zu dürfen, zumindest konkludent mit erklären würde, also die Berechtigung zur Verwendung gerade nicht auf den Aussteller der Karte zurückgeführt werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies jedoch beim Einsatz von Codekarten nur der Fall, wenn der Täter die Karte gefälscht, manipuliert oder mittels verbotener Eigenmacht erlangt hat. Einen solchen Fall nahm das OLG jedoch nicht an, da Fortsetzung des eigenen bestehenden Besitzes ist selbst dann keine verbotene Eigenmacht sei, wenn eine Pflicht zur Herausgabe besteht. Denn für die Annahme einer verbotenen Eigenmacht müsse der unmittelbare Besitzer im Besitz beeinträchtigt werden. Unmittelbarer Besitzer der Tankkarte war hier jedoch der Angeklagte selbst.
Eine Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB scheiterte vorliegend an einer entsprechenden Vermögensbetreuungspflicht. Für diese muss eine fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bilden, bei der dem Fürsorgenden ein gewisser Entscheidungsspielraum verbleibt. Dies ist jedoch bei der Überlassung einer Tankkarte regelmäßig nicht der Fall.
Auch der Tatbestand des Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b Abs. 1 Alt. 2 StGB war nicht einschlägig. Das OLG führte dazu aus, dass Tankkarten in der Regel als Zahlungskarten im Zwei-Parteien-System ausgegeben werden, bei dem der Aussteller dem Karteninhaber einen Kundenkredit einräumt, bei dem der Karteninhaber lediglich ohne erneute Prüfung seiner Kreditwürdigkeit eine Leistung in Anspruch nehmen kann. Unter den Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB fallen jedoch nur Berechtigungskarten im sogenannten Drei-Partner-System, bei dem der Karteninhaber durch die Vorlage der Karte das Vertragsunternehmen auf Waren oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen kann, also eine Verpflichtung für das Vertragsunternehmen besteht. Bei einer Tankkarte müsste sich der Aussteller der Karte gegenüber den angeschlossenen Tankstellenbetreibern unter Abgabe einer entsprechenden Garantie dazu verpflichten, deren Forderungen gegenüber der Geschädigten als Karteninhaber auszugleichen. Für eine solche Verpflichtung bestanden jedoch keine Anhaltspunkte.
Last but not least kam auch eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB nicht in Betracht. Denn es handelte sich bei dem übereigneten Kraftstoff schon nicht mehr um eine fremde Sache, da dem Angeklagten das Eigentum an diesem übereignet wurde. Damit blieb es bei dem vom Landgericht Koblenz schon angenommenen Freispruch für den Angeklagten.
Im Übrigen kann hier nur auf die wirklich ausführliche Prüfung des OLG Koblenz verwiesen werden. Das Lesen dieser Entscheidung lohnt sich!
Eine Antwort
[…] die für Examenskandidaten nicht uninteressant sein dürfte. Darin geht es wieder einmal um den Tatbestand des Computerbetruges, der in der letzten Zeit immer wieder Gegenstand wichtiger Entscheidungen war. Dies macht es […]