Anforderungen an das Wissenselement bei einer Sachbeschädigung von „Klimaaktivisten“
Wer sich bei Begehung der Tat (§ 16 StGB) keine Gedanken über den Beseitigungsaufwand gemacht hat, dem fehlt das zum Vorsatz erforderliche Wissenselement.
Feststellungen im Urteil dazu sind nur entbehrlich, wenn der Tatvorsatz aufgrund des Substanzverletzungsumfangs oder der Funktionsbeeinträchtigung eindeutig ist.
Zum Sachverhalt
Die Angeklagte entfernte als Mitglied der „Letzten Generation“ am 22. Juni 2022 mit weiteren Mittätern vor dem Bundeskanzleramt eine dort verlegte Gehwegplatte und legte sie auf einen Rasenbereich neben der ursprünglichen Position. Dabei hat sich die Angeklagte keine Gedanken darüber gemacht, welcher Aufwand mit der Wiedereinsetzung der Platte verbunden ist.
Das Amtsgericht hatte die Angeklagte wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Angeklagten wurde durch das Landgericht Berlin durch Urteil am 23. August 2023 verworfen. Das Landgericht führte an, dass die Angeklagte zumindest mit Eventualvorsatz gehandelt habe. Die Angeklagte wendete sich gegen dieses Urteil und rügte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts.
Entscheidung des Kammergerichts (KG, Beschl. v. 3.11.23 – 3 ORs 72/23 – 161 Ss 167/23)
Der Senat erkannte einen Fehler in der Entscheidung des Landgerichts Berlin und hob das vorangegangene Urteil auf, gab die Sache zur erneuten Verhandlung und die Entscheidung an eine Strafkammer zurück.
Das Kammergericht überzeugte die zulässige Revision mit der Sachrüge, da die Feststellungen zur inneren Tatseite nicht für eine Verurteilung wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung ausreichen würden.
Fehle dem Täter das Bewusstsein, dass seine Handlungen ein Tatbestandsmerkmal erfüllen können, handele er nicht vorsätzlich, was auch dann der Fall wäre, wenn er sich über die Tatbestandsverwirklichung keine Gedanken gemacht hätte.
Eine Sachbeschädigung scheide aus, wenn die Beseitigung der Substanzverletzung oder Funktionseinbuße mit unerheblichem Aufwand für den Geschädigten einhergehe, sodass der Täter es zumindest für möglich gehalten haben muss, dass die Beseitigung einen nicht unerheblichen Aufwand erfordere. Da jemandem, der sich bei Begehung der Tat im Sinne von §16 StGB keine Gedanken über den Beseitigungsaufwand mache, das Wissenselement und somit der Vorsatz fehle, müsse das Urteil Feststellungen dazu enthalten, dass der Täter einen nicht unerheblichen Beseitigungsaufwand zumindest für möglich gehalten habe. Dies wäre nur entbehrlich, wenn der Tatvorsatz aufgrund des Substanzverletzungsumfangs oder der Funktionsbeeinträchtigung eindeutig wäre.
Diesen Anforderungen wurde das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das für den Vorsatz erforderliche Wissenselement entfalle. Feststellungen dazu waren auch nicht entbehrlich, da die vergleichsweise geringe Einwirkung auf die Sachsubstanz nicht suggeriere, dass die Angeklagte einen erheblichen Aufwand für die Gehwegreparatur gesehen habe.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg