Anmerkungen zur Strafbarkeit des Ankaufs der Steuerdaten-CD
Zum Beitrag vom vorvergangenen Dienstag und dem Folgebeitrag, in denen ich die Auffassung vertreten habe, der Ankauf der Steuderdaten-CDs sei strafbar, gab es allerhand Kommentare, darunter auch kritische Anmerkungen. Ich bemühe mich nun, diese zu entkräften.
Nach meiner Wahrnehmung kann man den Kommentaren 6 Argumente gegen eine Strafbarkeit des Ankaufs entnehmen.
- Es liege keine Anstiftung vor / das Problem des omnimodo facturus.
- Die Weitergabe der Daten sei nicht unbefugt. Der deutsche Staat sei ein berechtigter Empfänger für die Kontodaten deutscher Steuerflüchtiger.
- Daten aus einer Steuerhinterziehung seien gar nicht geschützte Daten iSd § 17 UWG.
- Die StA macht sich wegen Strafvereitelung strafbar, wenn sie die Daten nicht ankauft und die Tat könnte wegen der wichtigen Rolle von Steuern für die staatliche Finanzierung gerechtfertigt sein, § 34 StGB. Schließlich sei der deutsche Staat ein berechtigter Empfänger für die Kontodaten deutscher Steuerflüchtiger.
- Man könne das allgemeine Strafrecht bei einer Behörde nicht ohne weiteres anwenden.
- Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken
1. Es liege keine Anstiftung vor / das Problem des omnimodo facturus.
Zum Teil wird in den Kommentaren vertreten, es läge gar keine Anstiftung vor, weil der Schweizer (im Folgenden: S) zur Tat bereits fest entschlossen ist. Diese Ansicht teile ich nicht.
Folgendes Beispiel zum Verständnis: A kommt zu B und erklärt: Wenn du mir 50.000 € zahlst, töte ich deine Frau für dich. Nach völlig einhelliger Auffassung liegt in diesen Fällen stets eine Anstiftung vor, wenn B das Geld zahlt, gerade weil der A bis zur Zahlung (der Erfüllung der Zahlungsbedingung) lediglich tatgeneigt ist. Ohne Zahlung kommt es ja genau nicht zur Straftat. Der Fall des Schweizers ist genauso gelagert. Würde S die Daten freiwillig und bedingungslos an den Staat herausgeben, käme man nicht zu einer Anstiftung und somit Strafbarkeit.
2. Die Weitergabe der Daten sei nicht unbefugt.
Unbefugt bedeutet zunächst nur, dass der Täter nach seinen Vertragspflichten gegenüber dem Geschäftsherrn zur Weitergabe/Verwertung der Daten nicht berechtigt ist – das sollte hier unproblematisch sein, egal ob S nun Mitarbeiter der Bank ist oder gar ein Außenstehender – sowiedem Täter keine Rechtfertigungsgründe zur Seite stehen. Ich sehe keinerlei Rechtfertigungsgründe. Schließlich geht es hierbei um das Verhältnis Bank – S und nicht um das Verhältnis S – Deutscher Staat. Zu einer möglichen Abwägung hinsichtlich der Rechtfertigungsgründe s.u.
3.
Generell: Dass man in Kommentaren keinen Hinweis auf Steuerdaten als taugliche Tatobjekte iSd des § 17 UWG findet, ist wenig verwunderlich, da das Problem eben neu ist.
Ich hätte in meinem Beitrag darauf eingehen können, dass in § 1 UWG als Zweck des Gesetzes u.a. der Schutz von Verbrauchern vor unlauteren geschäftlichen Handlungen genannt ist. Hier geht es um die Kontodaten der Bankkunden, mit denen nicht korrekt umgegangen wird und den Schutz der Bankkunden. Das UWG auf den diskutierten Fall anzuwenden, scheint sinnvoll.
Ich habe im Erbs/Kohlhaas für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse folgende Definition gefunden:
… sind danach alle Tatsachen, die nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheimgehalten werden sollen, die ferner nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und damit nicht offenkundig sind und hinsichtlich derer der Betriebsinhaber deshalb ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat, weil eine Aufdeckung der Tatsachen geeignet wäre, dem Geheimnisträger wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.
Ich habe keine Probleme, darunter zu subsumieren. Aber vielleicht seht ihr noch welche? Dann können wir darauf noch näher eingehen. Ich denke, dass der Ansatz letztlich nur an dieser Stelle fehlgehen kann.
Auf die anderen Punkte gehe ich noch ein, werde jetzt aber erst einmal einen Geburtstag feiern gehen. Vielen Dank für die bisherigen Kommentare!
Tolle Argumente! Großes Lob!
Kann mir bitte jemand erklären, weshalb bei der Diskussion um § 17 UWG dessen Abs.(6) völlig unberücksichtigt bleibt, obwohl dieser doch die Anwendbarkeit der Strafnorm des § 17 UWG auf lediglich bestimmte Fälle mit Auslandsbezug regelt? Die Tatbestandsvorraussetzugen des § 5 Nr.7 StGB, auf den § 17 (6) UWG verweist, sind im Fall der Schweizer Bank gerade nicht erfüllt, damit hat der S keine Tat begannen, die durch § 17 II (2) UWG erfasst sein könnte.
@Christian
Lieber Christian,
vielen Dank für den freundlichen Kommentar. Es mag, vor allem im oberen Teil, einiges dran sein.
Die Überschrift stammt nicht von mir sondern ist ein Zitat von Prof. Mitsch, der die juristisch z.T. fehlerhafte Diskussion als „Eiertanz“ bezeichnet hat. Im Nachhinein wurde mir bewusst, dass man mir diese Überschrift zurechnen würde. Ich habe deshalb auch den ersten Satz angepasst klargestellt, dass ich das Problem als ein akademisches sehe und den Lösungsansatz als einen unter mehreren. Erläutern wollte ich natürlich nur den einen, nicht die mehreren. Dazu gehört im übrigen auch, nicht im Voraus zu überlegen, wie der BGH in solch einer Angelegenheit entscheiden würde. Gerade weil das Problem neu ist, drängen sich derartige Gedanken nicht auf.
Zur Ihren Argumenten: Als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz haben Sie sicher häufiger mit dem § 17 zu tun als die Steuerstrafrechtler und diesen – uns (wenn man den interessierten Studenten zu den „-rechtlern“ hinzuzählen mag) – sicher einiges voraus.
Strafrechtlich liegen sie jedoch nach meiner Auffassung nicht immer richtig.
Sie schreiben: „Schweizer Banken sind bereits keine “Unternehmen” im Sinne der Vorschrift, da das UWG örtlich unanwendbar ist.“
Ob man die Tatbestandseigenschaft von der örtlichen Geltung abhängig machen kann, will ich einmal dahingestellt lassen – ein Apfel bleibt eine Sache iSd § 242 StGB, auch wenn er auf einem Markt in Kairo gestohlen wird – sein strafrechtlicher Schutz (nach dem deutschen Recht) bestimmt sich in erster Linie danach, welche Person mit ihm zu tun hat.
Entscheidender ist jedoch, dass das UWG örtlich sehr wohl anwendbar ist, auch wenn Tat in der Schweiz (oder Frankreich) vorgenommen wird, (s. auch bereits einer der Kommentare zum Ursprungsartikel).
Dafür sorgt § 9 II StGB: Danach ist es ohne Relevanz, ob die Haupttat, wenn diese im Ausland verwirklicht wurde, an deren ausländischem Tatort strafbar ist, denn für die Teilnahme (und das ist der einzige relevante Prüfungsgegenstand meines Beitrages) gilt gemäß Abs. 2 S. 2 das deutsche Strafrecht (BGH NJW 1999,2683). Will ich prüfen, ob die Teilnahmehandlung strafbar ist, muss ich überlegen, ob die Haupttat, die im Ausland verwirklicht wurde, nach deutschem Recht strafbar wäre.
Das UWG ist daher erst einmal anwendbar.
Kommen wir somit zum § 17 II 2 UWG. Auch ich denke nicht, dass der S ein Mitarbeiter der Bank ist. Auszuschließen ist es nicht, dann hätten wir es strafrechtlich etwas einfacher, aber es ist wenig wahrscheinlich.
Sie schreiben, Täter iSd des § 17 II 2 UWG können nur im weiteren Sinne Beschäftigte des Unternehmens sein.
Der Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG 2009 sagt ein anderes: Täter können Beschäftigte oder beliebige Dritte sein. Für die beliebigen Dritten werden dann bestimmte Situationen aufgeführt, in denen sie Täter sein können. Ich mache es mir an dieser Stelle einfach und folge der Ansicht von Tiedemann (ZStW 86 (1974), 1030), nach der jede auf Erlangung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen gerichtete Handlung Außenstehender strafwürdig ist.
Aber auch wenn Sie mir hier nicht folgen – sie schreiben:
“ Schließlich liegt auch kein sonstiges unbefugtes Sichverschaffen oder Sichern von Informationen vor – diese Modalität müsste den zuvor genannten Tatvarianten entsprechen. Da niemand weiß, wie die Daten erhoben wurden, sind hierzu keine Feststellungen möglich.“
Wie kann ich denn als Außenstehender befugt (das bedeutet, indem Rechtfertigungsgründe eingreifen) die Bankdaten von Bankkunden erlangen? Meiner Fantasie sind hier Grenzen gesetzt.
Ich denke, auch der „Auffanghalbsatz“ ist einschlägig.
Schließlich stellen Sie auf den subjektiven Tatbestand ab.
Sie schreiben:
„Der Staat kann nicht “eigennützig” im Sinne der Vorschrift handeln; er handelt stets im Interesse der Allgemeinheit.“
Auf die Eigennützigkeit des Staates kommt es gar nicht an. Wir müssen Haupttat und Teilnahmehandlung trennen.
Der S handelt eigennützig. Ich denke, darin besteht Einigkeit.
Der subjektive Tatbestand des Anstifters ist aber ein anderer. Der Anstifter muss Vorsatz haben in Bezug auf die Vollendung der Haupttat (das schließt die Kenntnis wesentlicher Umstände der Tat, die diese rechtswidrig machen, ein) und bezüglich des Hervorrufens des Tatentschlusses.
Der Antstifter muss das subjektive Merkmal des Eigennutzes nicht selbst erfüllen.
Wenn es sich bei dem Beweggrund „Eigennutz“ um ein besonderes persönliches Merkmal handeln sollte, ist allenfalls eine Strafmilderung nach §§ 28 I, 49 I StGB denkbar.
Ich freue mich sehr auf Ihre Replik!
Moin!
Zunächst ein (wirklich!) freundlich gemeinter Rat: wenn man feststellt, dass man mit seiner Analyse allein auf weiter Flur steht, spricht Einiges dafür, dass man daneben liegt. „Millionen von Juristen“ – und nur Sie haben das Licht gesehen? Ich muss gestehen, ich kenne das von mir selbst, gerade aus der Examenszeit. Man neigt dazu, sich zu verzetteln, weil man etwas – möglicherweise nur scheinbar – Plausibles gefunden hat, was wie von Zauberhand allerlei unangenehme Wertungsprobleme beiseite schafft.
Man erliegt dieser Verlockung leicht. Bei mir jedenfalls hat es lange gedauert um zu erkennen, dass es gerade die wertende Betrachtung, nicht die quasi-mathematische Analyse ist, die letztlich zu einem Ergebnis führt, das nicht nur gerecht ist, sondern vor allem auch dem entspricht, was ein Gericht später auswirft. Ansatzpunkt ist dabei regelmäßig der Schutzzweck der zu prüfenden Norm.
Schon bei einer Vorüberlegung kommt man dabei zu dem Ergebnis, dass Ihre Analyse problematisch ist. Das UWG dient der Wahrung individueller Interessen der Marktteilnehmer, aber stets und immer auch dem Interesse der Allgemeinheit an geordneten Marktverhältnissen. Strafverfolgung dient diesem Ziel und steht ihm nicht entgegen; das gilt selbstverständlich und ganz besonders auch für die Bekämpfung von strafbarer Steuerverkürzung.
Daher geht Ihr Ansatz auch bei näherer Betrachtung fehl. Und wenn ich als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz schon einmal in strafrechtlichen Gewässern fische, versuche ich, alles richtig zu machen und fange mit dem objektiven Tatbestand an:
§ 17 Abs. 1 UWG scheidet erkennbar aus – ob der Judas für die Bank, betroffene Unternehmer oder sonstwen arbeitet (oder auch nur gearbeitet hat), weiß kein Mensch.
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG scheidet auch aus, da die vorliegenden Informationen einen entsprechenden Schluss nicht zulassen. Es wurde nichts weggenommen pp.; schon gar nicht vom Staat.
§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG scheidet ebenfalls aus. Schweizer Banken sind bereits keine „Unternehmen“ im Sinne der Vorschrift, da das UWG örtlich unanwendbar ist. Zudem betrifft Abs. 1, auf den hier verwiesen wird, aus gutem Grund ausschließlich eine Weitergabe von Daten durch – im weiteren Sinne – Beschäftigte des Unternehmens; die Strafdrohung endet dabei mit der Beschäftigung. Das ist ganz bewusst so geregelt, da andernfalls ehemalige Mitarbeiter jegliches Know-How mit Ende der Dienstzeit „vergessen“ müssten, was mit deren Berufs- (ausübungs-) Freiheit kollidierte. Hierzu liegen schon gar keine Informationen vor. „Sachverhaltsquetsche“ wäre das richtige Wort, zumal ein nach wie vor Angestellter kaum so dumm wäre, seine Position durch eine öffentlich kommunizierte Weitergabe zu riskieren. Schließlich liegt auch kein sonstiges unbefugtes Sichverschaffen oder Sichern von Informationen vor – diese Modalität müsste den zuvor genannten Tatvarianten entsprechen. Da niemand weiß, wie die Daten erhoben wurden, sind hierzu keine Feststellungen möglich.
Nach so viel Dogmatik kommt aber der springende Punkt, der das ganze Konstrukt zum Einsturz bringt: der subjektive Tatbestand. Der Staat kann nicht „eigennützig“ im Sinne der Vorschrift handeln; er handelt stets im Interesse der Allgemeinheit.
Ich habe den Eindruck, dass die „Entdeckung“ des § 17 UWG die Fantasie bei Ihnen etwas beflügelt hat. Außerhalb des Strafrechts ist das Problem des Geheimnisverrats allerdings keineswegs „neu“, wie Sie in diesem Beitrag postulieren, sondern alltäglich. Und aus gutem Grund genießen Informationen als solche nur sehr eingeschränkten Schutz, da fehlender Informationsaustausch das Ende des Wirtschaftslebens bedeutete.
Um es ganz plastisch zu sagen: ein Mitarbeiter, der das Rezept von Coca Cola nach seiner Entlassung an Pepsi weitererzählt, macht sich nicht strafbar. Das dürfte etwas helfen, die praktische Bedeutung des § 17 UWG einzuschätzen, hoffe ich.
Kein Gericht der Welt wird daher irgendjemanden auf Grundlage des § 17 UWG in dieser Sache zur Verantwortung ziehen. Die Überlegungen zu „omnimodus facturus“ usw. sind dogmatisch sicher gehaltvoll, haben aber mit dem zu beurteilenden Sachverhalt nichts zu tun. Wenn Sie von derlei Fragen faszniniert sind, sollten Sie daher eher einen Beitrag zum Thema „Wie könnten Strafverfolgungsbehörden sich strafbar machen“ verfassen.
Der diskutierte Sachverhalt gibt dazu allerdings nichts her.
Vielleicht hilft es mal als Mensch udn nicht als Jurist zu denken:
Das einzig problematische sehe ich darin, dass Geld bezahlt wird. Aber dass der Staat keinen Anstand kennt, hat er unzählige Male bewiesen.
Würde ein Arbeitnehmer der StA erzählen, dass es in seiner Bank unzählige Steuerhinterziehungsfälle gäbe, würde sie wohl einen Durchsuchungsbeschluss für die Bank erhalten.
In diesem Fall würde sie legal in den Besitz der Daten gelangen und zwar auch solcher Daten, die der Arbeitgeber gern geheimhalten möchte.
Zur Frage von Kai:
Sämtliche Diskussion darüber nutzt dem Staat doch. Sie erzeugt erhebliche Unsicherheit, was zu einer erhöhten Zahl von Selbstanzeigen führen wird/soll.
In diesem Sinne kommt es auf den Kauf der CD dann schlussendlich gar nicht mehr so sehr an. Allein die „Drohung“ mit dem Ankauf hat ja durchaus einen gewissen Effekt.
Eine Frage an den Autoren: Wie beurteilt ihr die Situation, wenn der Ankauf der Steuerhinterzieher-CD „bedauerlicherweise“ und natürlich vollkommen ungeplant fehlschlägt – die Mittel aus den Selbstanzeigen sind dem Staat dann ja sicher und die „rechtstaatlichen Bauchschmerzen“ unnötig.
Wird dann evtl eine Nötigung bejaht?
Zu Punkt 2 sei gesagt, dass man bisher keinesfalls weiss, ob jeder Datensatz einem Deutschen und dazu noch einem Deutschen Steuerhinterzieher zu zuordnen ist.
Vielmehr hofft man drauf….
Dazu stellt sich die Frage, warum der Staat dann nicht ganz offiziell und nicht über unzählige Umwege die CD ankauf, wie eine Übergabe in einem Drittland usw.
Wäre alles so legal, könnte man dieses ja auch unverworrener gestalten.