Auf den Boden gelegt und geweint – Wann wird Jugendstrafrecht angewandt?
In der Strafjustiz wird zwischen Jugendstrafrecht und Erwachsenenstrafrecht unterschieden. Im Jugendstrafrecht geht es vor allem um den Erziehungsgedanken, den die Strafe tragen soll. Unterschiede gibt es dabei unter anderem bei der Länge der Strafe; bei Jugendlichen fällt diese in der Regel niedriger aus. Doch für wen gilt das Jugendstrafrecht?
Bei Jugendlichen im Alter von 14-17 Jahren wird immer Jugendstrafrecht angewandt. Wenn ein Angeklagter 22 Jahre oder älter ist, wird dagegen immer nach Erwachsenenstrafrecht bestraft.
Bei Heranwachsenden, die zur Tatzeit 18-21 Jahre alt sind, wird es dann etwas komplizierter. Hier kommt es darauf an, ob sich der Heranwachsende noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befindet, wodurch er in der geistigen und sittlichen Entwicklung einem Jugendlichen gleichsteht. Dabei ist eine Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit notwendig, dessen Bewertungen mit Tatsachen belegt und nachvollziehbar sein muss.
Auch der Bundesgerichtshof (2 StR 433/20) musste sich in seinem Beschluss vom 15. Mai 2021 mit dieser Thematik beschäftigen. Im hiesigen Fall wurde der 19-jährige Angeklagte vom Landgericht Gera wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Angewandt wurde dabei Erwachsenenstrafrecht.
Nach dem Bundesgerichtshof hält die Begründung, mit der das Landgericht zur Anwendung von Erwachsenenstrafrecht gelangt ist, rechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand. Demnach hat es bei der Bewertung der Persönlichkeit und der sozialen Lebensbedingungen des Angeklagten wesentliche Gesichtspunkte nicht in seine Gesamtwürdigung eingestellt.
So weist der Bundesgerichtshof unter anderem auf die Situation hin, in der der Angeklagte nach Eintreffen der Polizei direkt alles einräumte und sich auf den Boden legte und weinte. Es muss demnach erörtert werden, ob die sofortige Übernahme der Verantwortung Reife zeigt oder die Situation eher als kindliche Reaktion gesehen werden kann. Auch die abgebrochene Ausbildung des Angeklagten betont der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss. Aufgrund dieser Darstellungsmängel kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Würdigung der genannten Faktoren zur Anwendung des Jugendstrafrechts gelangt wäre und verweist die Sache zur neuen Verhandlung.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg