Autor: Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht - Berlin-Kreuzberg

Erziehung vor Strafe: Das Jugendstrafrecht

Wird ein Jugendlicher genauso bestraft wie ein Erwachsener? Um flexible, altersangemessene Maßnahmen anzuwenden und den Entwicklungsstand von jungen Leuten zu berücksichtigen, gibt es das Jugendstrafrecht. Beim Jugendstrafrecht, insbesondere bei den Erziehungsmaßregeln und den Zuchtmitteln, steht nicht die Strafe im Vordergrund, vielmehr sollen die Maßnahmen den Jugendlichen erziehen und vor erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. So beschreibt es der § 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG). Die härteste Sanktion im Jugendstrafrecht ist die Jugendstrafe, die einen Freiheitsentzug vorsieht und nur zu verhängen ist, wenn nach § 17 Abs. 2 JGG eine schädliche Neigung oder die Schwere der Schuld vorliegt. Mit den Voraussetzungen...

Die falsche Podologin

Da es im Gesetz viele unbestimmte Rechtsbegriffe gibt und allgemein nicht jede Vorschrift auf den ersten Blick verständlich ist, müssen bestimmte Formulierungen ausgelegt werden. Orientiert werden kann sich dabei an verschiedenen Methoden. In seinem Beschluss vom 3. Mai 2023 beschäftigte sich das Landgericht Fürth (12 KLs 114 Js 10235/20) damit, wer Angehöriger eines Heilberufs ist. Die Angeschuldigte im vorliegenden Fall führte eine Podologie-Praxis, obwohl sie keine dementsprechende Ausbildung gehabt haben soll. Im Zuge ihrer Tätigkeit rechnete sie die Behandlungen gegenüber den Krankenkassen ab, obwohl diese nicht abrechnungsfähig gewesen seien. Aufgrund dessen wurde ihr Abrechnungsbetrug zum Nachteil verschiedener Krankenkassen zur Last...

Geldgieriger Zahnarzt? Extraktion von Zähnen trotz anderer Alternativen

Einem Arzt wird vertraut, dass er durch die richtige Behandlung die Gesundheit eines Patienten wiederherstellt. Doch was passiert, wenn ein Arzt dieses Vertrauen für seinen eigenen Vorteil missbraucht? In seinem Beschluss vom 16. März 2022 befasste sich das Oberlandesgericht Karlsruhe (1 Ws 47/22) mit diesem Thema und musste außerdem feststellen, wann sich ein Arzt der gefährlichen Körperverletzung strafbar macht. Im hiesigen, der Entscheidung des Oberlandesgerichts zugrundeliegenden Sachverhalt  entnahm der Zahnarzt seinen Patienten in 33 Fällen Zähne, obwohl es andere hinreichend aussichtsreiche Behandlungsalternativen gab. Seinen Patienten soll er erklärt haben, dass die Behandlung zwingend notwendig sei. Im Vertrauen auf die Expertise...

Darf ein Beschuldigter dazu gezwungen werden, Fingerabdrücke abzugeben?

Damit die Polizei Straftaten aufklären oder vorbeugen kann, gibt es in der Strafprozessordnung (StPO) mehrere Maßnahmen zur Erfassung von personenbezogenen und biometrischen Daten. Demnach dürfen nach § 81b Abs. 1 StPO Fingerabdrücke und Lichtbilder des Beschuldigten aufgenommen werden. Mit einem Fall, in dem die Abnahme von Fingerabdrücken zur Entsperrung des Mobiltelefons angeordnet wurde, beschäftigte sich auch das Landgericht Ravensburg (2 Qs 9/23) in seinem Beschluss vom 14. Februar 2023. Die hiesige Person wurde unter anderem der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln beschuldigt. In Folge der Ermittlungen wurde eine Wohnungsdurchsuchung durchgeführt, bei der ein Mobiltelefon eingezogen wurde. Das Amtsgericht bewirkte daraufhin die...

Die eigene Mutter beraubt?

Der Raub ist kein seltenes Thema in einer Strafrechtsklausur. Ein wichtiger Bestandteil der Prüfung des Raubes ist die finale Verknüpfung. Ein Raub gem. § 249 StGB wird verwirklicht, wenn mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen wird, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Zwischen dem qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme muss ein Finalzusammenhang bestehen. Das heißt: Das Nötigungsmittel sollte nach Vorstellung des Täters dazu dienen, die Wegnahme durch Überwindung eines zu erwartenden Widerstandes zu ermöglichen. In seinem Beschluss...

Cannabis-WG: strafbares Inverkehrbringen durch Wegwerfen von Drogen

Das Betäubungsmittelgesetz stellt das Inverkehrbringen von Drogen unter Strafe. Dabei umfasst das Inverkehrbringen jede Eröffnung der Möglichkeit, dass ein anderer Zugriff auf die Drogen erlangt und diese verwenden kann. Das Kammergericht hat sich in seinem Beschluss vom 03. Mai 2022, (2 161 Ss 52/22 (15/22)) mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Wegwerfen von Drogen bereits ein strafbares Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln darstellt. Der Entscheidung zugrunde lag, dass der Angeklagte beim Eintreffen der Polizei an seiner Wohnungstür zufällig die Cannabisplantage seines Mitbewohners mit knapp 300 Cannabissetzlingen entdeckte, von der er bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis hatte. Aus Panik packte der Angeklagte...

Tritt mit einem Turnschuh – Gefährliches Werkzeug?

Um den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 StGB zu erfüllen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Unter anderem macht sich nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar, wer die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs begeht. Ein gefährliches Werkzeug ist nach der herrschenden Meinung jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Ob auch ein Turnschuh ein gefährliches Werkzeug darstellen kann, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 298) in seinem Beschluss vom 25. Januar 2023 erörtert. Im hiesigen Fall kam es zwischen dem Angeklagten...