Bedingter Tötungsvorsatz bei Schnitten in den Halsbereich
Die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ist besonders in Strafrechtsklausuren des allgemeinen Teils ein gern abgeprüftes Problem, da sich dies oftmals als sehr knifflig herausstellen kann.
Wichtig für die Abgrenzung sind das intellektuelle Element und das voluntative Element (Wissens- und Willenselement), welche sich in jeder Form des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit unterscheiden. Mit bedingtem Vorsatz handelt derjenige, der den Erfolg für möglich hält und diesen billigend in Kauf nimmt. Bei der bewussten Fahrlässigkeit hält der Täter den Erfolg für möglich, hofft jedoch auf ein Ausbleiben des Erfolges.
Mit dieser Abgrenzung musste sich auch der Bundesgerichtshof (5 StR 500/20) in seinem Beschluss vom 28. April 2021 beschäftigen.
Im vorliegenden Fall kam es nach einem Streit zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger. Nachdem der Angeklagte flüchtete, bewaffnete er sich mit einem Besenstiel und einem 30 cm langen Küchenmesser und suchte den Nebenkläger erneut auf. Im Laufe der Rangelei zog der Angeklagte das Messer und schnitt dem Nebenkläger mit diesem ein- oder zweimal in den Halsbereich, wodurch seine Halsschlagader durchtrennt wurde. Der Nebenkläger überlebte nur auf Grund eines Luftröhrenschnitts mit darauffolgender Operation.
Das Landgericht Leipzig verurteilte den Angeklagten dafür unter anderem wegen versuchten Totschlags. Auch der Bundesgerichtshof sah den bedingten Tötungsvorsatz hier als gegeben an.
Bei besonders gefährlichen Gewalthandlung sieht der Bundesgerichtshof es als naheliegend an, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, dass das Opfer zu Tode kommen könnte. Dadurch dass der Angeklagte das mitgebrachte Messer in einem dynamischen Geschehen in eine gefährdete Körperregion wie dem Hals einsetzte, ist von einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen, wobei auch die Länge von 30 cm eine wichtige Rolle spielte. Bei dieser Handlung konnte der Angeklagte nicht mehr darauf vertrauen, dass er den Nebenkläger nicht tödlich verletzen wird.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin-Kreuzberg