Behandlung von ADHS mit Drogen
Werden auch Suchtkranke in Justizvollzugsanstalten untergebracht? Neben Strafen sind im Strafgesetzbuch (StGB) auch Maßregeln enthalten. So regelt der § 64 StGB beispielsweise die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Nach diesem wird eine Person, die einen Hang zum Konsum von alkoholischen Getränken oder anderen berauschenden Mitteln hat, in einer Entziehungsanstalt untergebracht.
Wann ein solcher Hang vorliegt, hat der Bundesgerichtshof (5 StR 416/22) in seinem Beschluss vom 22. November 2022 beantwortet. Das Landgericht Berlin verurteilte den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Dabei sah es von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ab.
Der Angeklagte behandelte seine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) seit mehreren Jahren selber mit Betäubungsmitteln. Zuerst mit Cannabis und als die Wirkung irgendwann nicht mehr ausreichte, fing er mit dem Konsum von Kokain und MDMA an. Neben diesen nahm er auch noch weitere Betäubungsmittel ein. Nachdem er erfuhr, dass seine Freundin schwanger ist, entschied er, seinen Konsum einzustellen, und schaffte dies auch kurz vor einer Inhaftierung in anderer Sache. Aufgrund seiner selbstständigen Einstellung des Konsums nahm die Strafkammer an, dass der Angeklagte nicht substanzabhängig ist und ein Hang im Sinne des § 64 StGB nicht vorliegt.
In seinem Beschluss stellt der Bundesgerichtshof jedoch fest, dass für den Hang nach § 64 StGB noch nicht der Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht sein muss. Stattdessen reicht es schon aus, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Dass der Angeklagte in der Lage war, den Konsum von Betäubungsmitteln kurzfristig einzustellen, steht dem Vorliegen eines Hanges nicht entgegen, sodass die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge Erfolg hat.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg