Beim Cannabisanbau aufgrund von Drohungen geholfen – der entschuldigende Notstand gem. § 35 StGB
Neben den Rechtfertigungsgründen sind im Strafrecht auch Entschuldigungsgründe geregelt. Am Ende der Prüfung der Strafbarkeit muss geschaut werden, ob eine Strafbarkeit unter Umständen wegen eines Entschuldigungsgrundes verneint werden muss. Einer dieser Entschuldigungsgründe ist der entschuldigende Notstand gemäß § 35 Strafgesetzbuch (StGB):
„Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld.“
Mit dem entschuldigenden Notstand im Zusammenhang mit dem Anbau von Cannabis hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 185/23) in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2023 beschäftigt. Der Angeklagte arbeitete die Schulden seines Schwagers ab, indem er die Betreiber einer Cannabisplantage bei der Aufzucht der Pflanzen unterstützte. Seinem Schwager werde ansonsten ins Knie geschossen, hatte einer der Betreiber angekündigt.
Eine Straffreiheit aufgrund eines entschuldigenden Notstands lehnte der Bundesgerichtshof jedoch ab. Demnach ist eine Gefahr nicht anders abwendbar, wenn bei einer Ex-ante-Betrachtung kein milderes, gleichermaßen zur Gefahrenabwehr geeignetes Mittel vorhanden ist. Im hiesigen Fall wäre jedoch die Inanspruchnahme behördlicher Hilfe ein milderes Mittel gewesen. Es bestand ohne Weiteres die Möglichkeit, die Drohungen abzuwenden, indem diese den zuständigen Behörden angezeigt werden. Auch ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Mit einer Verletzung des Schwagers war nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilgründe demnach nicht unmittelbar zu rechnen.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg