Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt unverzügliche Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls
Befindet sich ein Beschuldigter in Untersuchungshaft, besteht ein besonders großes Interesse an einem schnellen Abschluss des Strafverfahrens. Denn solange keine rechtskräftige Entscheidung über die Verhängung einer Freiheitsstrafe vorliegt, darf ein Freiheitsentzug nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen erfolgen – so beispielsweise zur Sicherung der Durchführung des Strafverfahrens. Daher ist in solchen Haftsachen auch das prozessuale Beschleunigungsgebot von den Verfahrensbeteiligten sorgfältig zu beachten.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht nur auf eine fristgerechte Urteilsabsetzung an, sondern ebenso auf eine zeitnahe Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls. Dies hat das Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluss vom 28. September 2018 – 2 Ws 645/18 – klargestellt. In dem zu entscheidenden Fall war der in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte am 22. Februar 2018 durch das Landgericht (offenbar nach einigen Verhandlungstagen) zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das Urteil wurde fristgerecht am 23. Mai 2018 abgesetzt. Das Hauptverhandlungsprotokoll wurde durch den Vorsitzenden der Strafkammer jedoch erst am 09. August fertiggestellt. Die Zustellung des Urteils nebst Protokoll an die Verteidiger des Angeklagten erfolgte am 20. bzw. 21. August 2018, sodass erst zu diesem Zeitpunkt die Revisionsbegründungsfrist zu laufen begann.
Das OLG Nürnberg sah in dem Umstand, dass das Hauptverhandlungsprotokoll erst fünfeinhalb Monate nach der Urteilsverkündung zugestellt wurde, einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen und hob aus diesem Grund den weiterhin bestehenden Haftbefehl auf die Beschwerde des Angeklagten auf.
Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führt das OLG aus, dass die Erstellung eines kompletten Hauptverhandlungsprotokolls im unmittelbaren Anschluss an die Hauptverhandlung und damit parallel zur Erstellung der Urteilsgründe zu erfolgen habe. Selbst wenn das Protokoll – wie vorliegend – einen Umfang von 274 Seiten haben sollte und mehrere Korrekturen notwendig gewesen seien, sei die verspätete Fertigstellung des Protokolls hier sachlich nicht gerechtfertigt und vermeidbar gewesen. Denn schon zwischen dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung (22. Februar) und der Urteilsabsetzung (23. Mai) habe ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, das Protokoll zu korrigieren und fertigzustellen. Dass es aufgrund der verspäteten Fertigstellung bis zu Urteilszustellung (§ 273 Abs. 4 StPO) fast weitere drei Monate dauerte, habe auch im Hinblick auf das anschließende Revisionsverfahren zu unvertretbaren Verfahrensverzögerungen geführt, die einer Aufrechterhaltung des Haftbefehls entgegenstünden.