Bewaffneter Drogenhandel – Wo muss sich die Waffe befinden?

Wer mit Betäubungsmitteln (z.B. Heroin) in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt und dabei eine Schusswaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, kann sich gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar machen. Es droht dann eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. 

Doch wann liegt ein solches „Mitsichführen“ einer Schusswaffe bzw. eines gefährlichen Gegenstands vor? 

Dies war Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 23. Oktober 2019 (Az. 2 StR 294/19). In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall ging es um ein Ehepaar, das auf dem Balkon auf einer außenliegenden Fensterbank des parallel zur Balkontür verlaufenden Fensters einen Beutel mit 49,46 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 18,2 % aufbewahrte, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. In der Wohnung befand sich in der linken Ecke des Flures neben der Wohnungseingangstür ein Baseballschläger aus Holz und etwa zwei Meter von der Wohnungseingangstür entfernt lag auf einem Sideboard eine Gasdruckpistole „Colt Defender“, die unter Gasdruck stand und mit Stahlkugeln geladen war. Der Griff der Gasdruckpistole zeigte in Richtung Flur, während der Pistolenlauf parallel zur Wand ausgerichtet und von einem am Sideboard angelehnten Wandgarderobenpanel verdeckt war. 

Das Landgericht hatte die Angeklagten „nur“ wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat es mit der Begründung verneint, dass die Angeklagten aufgrund der festgestellten Zugriffshemmnisse („geschlossene Balkontür bzw. das entsprechende Fenster, das gesamte Wohnzimmer, die Wohnzimmertür und die Breite des Flures“) nicht ohne nennenswerten Zeitaufwand auf die Waffe zugreifen können. 

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Landgerichts auf die Revision der Staatsanwaltschaft u.a. mit folgender Begründung aufgehoben: 

Das Landgericht habe zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zugrunde gelegt. Danach muss der Täter die Waffe oder den gefährlichen Gegenstand bei der Tatbegehung bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich haben, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, so reiche es nach ständiger Rechtsprechung zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand auch nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist.

Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, könne angesichts der Vielgestaltigkeit der in Frage kommenden Lebensverhältnisse lediglich anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. 

Die räumliche Entfernung zwischen dem Aufbewahrungsort der Betäubungsmittel und dem der Waffe bzw. des gefährlichen Gegenstandes zu einem bestimmten Zeitpunkt – etwa dem der Durchsuchung einer Wohnung – habe allerdings lediglich indizielle Bedeutung für die Beurteilung einer jederzeitigen, ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne größere Schwierigkeiten zu realisierenden Zugriffsmöglichkeit des Täters. Denn für das Mitsichführen ist angesichts des Zwecks der Qualifikation die Zugriffsmöglichkeit des Täters des Betäubungsmitteldelikts auf Waffen oder sonstige Gegenstände gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 BtMG während irgendeines, aber näher zu bestimmenden Zeitpunkts im gesamten Tatverlauf ausschlaggebend.

Der BGH führt sodann weiter aus, dass sich die Gasdruckpistole und der Baseballschläger nach den Feststellungen des Landgerichts zum Zeitpunkt der Durchsuchung zwar in einem anderen Raum als die zum Handeltreiben bestimmten Betäubungsmittel befanden. Die räumliche Distanz habe aber lediglich indizielle Bedeutung für die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit des Täters während der Tat. Für ein konkretes Verkaufsgeschäft mit dem auf der außenliegenden Fensterbank des Balkonfensters aufbewahrten Heroins hätte es ohnehin des Hervorholens wenigstens eines Teils davon bedurft, so dass dem Aufbewahrungsort zum Zeitpunkt der Durchsuchung für das Mitsichführen der Waffe bzw. des Gegenstandes für sich genommen keine entscheidende Bedeutung zukommen könne. Insoweit verhalte es sich anders als in Konstellationen, in denen die Waffe bzw. der gefährliche Gegenstand in einer Art und Weise gelagert wird, die – wie etwa bei Aufbewahrung in einem verschlossenen Behältnis – den Zugriff auf die Waffe erschwert. Derartige Schwierigkeiten des Zugangs zu der fertig geladenen Gasdruckpistole und dem Baseballschläger seien in objektiver Hinsicht gerade nicht festgestellt. Die Feststellung, dass die Waffe und der Baseballschläger im Flur unmittelbar in Nähe der Wohnungseingangstür lagen, lege vielmehr nahe, dass der zum Handel vorgesehene Betäubungsmittelvorrat durch das durch Waffen vermittelte Gefühl von Sicherheit und Überlegenheit abgesichert werden sollte, was der gesetzgeberischen Zweckbestimmung der Qualifikation entspräche.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger in Berlin-Kreuzberg

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