Bundesgerichtshof zur Manipulation von Geldspielautomaten
Examenskandidaten aufgepasst – es gibt eine neue Entscheidung zu den Computer bzw. Urkundendelikten! Diese sind aufgrund der stetig wachsenden Kriminalität im Umgang mit Daten in der letzten Zeit immer wieder Gegenstand von Examensklausuren geworden. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entscheidung zur Fälschung technischer Aufzeichnungen gem. § 268 StGB getroffen (Beschluss vom 16.04.2015 – 1 StR 490/14). Ein Tatbestand, der gerne vernachlässigt wird, weil er kompliziert scheint und die Anwendungsbeispiele, im Gegensatz zu den wichtigeren Delikten wie Computerbetrug und Urkundenfälschung, überschaubar sind. Die aktuelle Entscheidung des BGH könnte deshalb eine gute Möglichkeit sein, den § 268 StGB mal wieder in eine strafrechtliche Klausur einzubauen. Damit eine solche Prüfung gelingt, stellen wir anhand einer Zusammenfassung des Urteils die wichtigsten Merkmale des Tatbestandes zusammen.
Ausgangspunkt der Entscheidung
Die beiden Angeklagten waren als Aufsteller von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit in verschiedenen Gaststätten und Spielhallen gewerblich tätig. Die Umsätze aus den Geldspielautomaten sind umsatzsteuer- und vergnügungssteuerpflichtig und müssen bei den jeweiligen Stadtverwaltungen angegeben werden. Hierzu müssen die von den Geldspielautomaten ausgedruckten Umsatznachweise in Gestalt sogenannter Auslesestreifen zusammen mit den Vergnügungssteueranmeldungen abgeben werden. Diese Auslesestreifen weisen automatisch gespeicherte Datensätze aus, aus denen die erzielten Umsatzerlöse entnommen werden können. Bei der Auslesung werden die von den Spielautomaten generierten Daten von einem internen Speichermedium des Automaten auf den Speicher des Auslesegeräts übertragen und von dort aus ausgedruckt.
Die Angeklagten hatten sich dazu entschlossen, die auf den Auslesestreifen ausgewiesenen Umsätze durch Manipulation zu verringern, um dann falsche Ergebnisse bei den jeweiligen Stadtverwaltungen angeben zu können. Zu diesem Zweck hatten sie einen Adapter besorgt, der bei dem Auslesevorgang zwischen die Schnittstelle des Spielautomaten und das Auslesegerät gesteckt wird und so in den Auslesevorgang eingreifen konnte. Durch diese Vorgehensweise konnten die Angeklagten ihre monatliche Umsatzsteuer- und Vergnügungssteuerlast erheblich senken. Sie flogen jedoch auf und wurden daraufhin vom Landgericht Stuttgart unter anderem wegen banden- und gewerbsmäßiger Fälschung technischer Aufzeichnungen verurteilt. Hiergegen legten die Angeklagten Revision ein.
Der BGH bestätigte das Urteil des Landgerichts weitestgehend. Allerdings stellte er klar, dass das Landgericht das Geschehen unzutreffend als Gebrauchen verfälschter technischer Aufzeichnungen gemäß § 268 Abs. 1 Nr. 2 StGB bewertet hat. Hier sei vielmehr die Modalität des § 268 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen störenden Einwirkens auf den Aufzeichnungsvorgang verwirklicht worden.
Der Tatbestand des § 268 StGB
Nach § 268 Abs. 1 StGB macht sich strafbar,
wer zur Täuschung im Rechtsverkehr
Nr. 1 eine unechte technische Aufzeichnung herstellt oder eine technische Aufzeichnung verfälscht oder
Nr. 2 eine unechte oder verfälschte technische Aufzeichnung gebraucht.
Nach Absatz 3 steht es der Herstellung einer unechten technischen Aufzeichnung gleich,
wenn der Täter durch störende Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang das Ergebnis der Aufzeichnung beeinflusst.
Die Tatbestandsmerkmale
1. Tatobjekt = technische Aufzeichnung
Zunächst einmal muss es sich für die Strafbarkeit nach § 268 StGB um eine technische Aufzeichnung handeln. In Betracht kam hier der mit dem Auslesegerät erstellte Ausdruck der automatisch erfassten und eingespielten Umsätze.
Nach der Legaldefinition des § 268 Abs. 2 StGB ist eine technische Aufzeichnung eine Darstellung von Daten, Mess- oder Rechenwerten, Zuständen oder Geschehensabläufen, die durch ein technisches Gerät ganz oder zum Teil selbsttätig bewirkt wird, den Gegenstand der Aufzeichnung allgemein oder für Eingeweihte erkennen lässt und zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmt ist, gleichviel ob ihr die Bestimmung schon bei der Herstellung oder erst später gegeben wird.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Darstellungen Aufzeichnungen, bei denen die Informationen in einem selbstständig verkörperten, vom Gerät abtrennbaren Stück enthalten sind.
Ein wichtiges Merkmal ist also, dass die Aufzeichnung dauerhaft wahrnehmbar ist. Bloße Anzeigevorrichtungen sind daher mangels Perpetuierung nicht einschlägig, sodass Mess- oder Rechenergebnisse, die nur momentan wahrnehmbar sind, nicht in den Anwendungsbereich des § 268 StGB fallen. Der BGH benennt hier in seiner Entscheidung die typischen Fallgruppen, die nicht als technische Aufzeichnung gelten: der Kilometerstand eines Tachometers am Kraftfahrzeugs, eine Waage oder der Strom- bzw. Wasserzähler mit ablesbarem Display.
Zudem muss die technische Aufzeichnung vom Aufzeichnungsgerät abtrennbar sein. Ein weiterer Grund, warum beispielsweise die Anzeige eines Stromzählers nicht unter den Begriff der technischen Aufzeichnung fällt. Sie ist lediglich flüchtig und lässt sich nicht vom Zähler selbst trennen. Im zu verhandelnden Fall war dies kein Problem, da die Aufzeichnung durch einen Ausdruck des Auslesegeräts erzeugt wurde.
Damit ist auch ein weiteres wichtiges Merkmal der technischen Aufzeichnung gegeben. Denn eine technische Aufzeichnung muss durch ein technisches Gerät selbsttätig bewirkt werden. Dies war hier der Fall, da der Automat die eingeworfenen Geldbeträge eigenständig erfasste und klassifizierte. Damit nahm der Automat mit den Worten des BGH selbsttätig, also ohne weitere Eingaben durch den Menschen, eine buchhalterische Tätigkeit an dessen Stelle wahr.
2. Tathandlung = Störende Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang
Der BGH sah im Gegensatz zum Landgericht Stuttgart die Tathandlung des § 268 Abs. 3 StGB als erfüllt an. Bei dieser muss auf das Ergebnis der Aufzeichnung mittels einer störenden Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang verändert werden. Dies kann wie beim Merkmal des Herstellens durch das Ergänzen, Löschen oder Ersetzen von Zeichen geschehen. Wichtig ist nur, dass dadurch der Eindruck erweckt wird, diese veränderten Zeichen seien das nach ordnungsgemäßem Herstellungsvorgang produzierte Ergebnis des Geräts. Die Verfälschung kann sich dabei sowohl auf den Inhalt der Aufzeichnung als auch auf den Beweisbezug beziehen.
Durch die vorgenommene Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang haben die Angeklagten nach Ausführung des BGH diese Voraussetzungen erfüllt. Denn die manipulativ hergestellten Auslesestreifen erweckten für unbefangene Dritte den Eindruck, das Ergebnis eines standardisierten und störungsfreien Auslesevorgangs zu sein.
3. Subjektiver Tatbestand = Vorsatz und Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr
Zudem handelten die Angeklagten nach Ansicht des BGH vorsätzlich und zur Täuschung im Rechtsverkehr. Auf eine Vorlage der Ausdrucke bei der Stadtverwaltung kam es hingegen nicht mehr an, da der Tatbestand bereits vollendet war, als die Auslesestreifen verfälscht wurden. Denn bei § 268 StGB ist, wie auch bei den anderen Urkundendelikten, ausreichend, dass der Handelnde als sichere Folge voraussieht, den zu Täuschenden zu einem rechtserheblichen Handeln zu veranlassen. Dies war gerade das Ziel der Angeklagten, die mit dem Einreichen des falschen Ausdrucks Steuern sparen wollten.
Wer die durchaus sehr ausführliche und deshalb lesenswerte Entscheidung des BGH noch einmal nachvollziehen möchte, kann dies hier tun.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht