Kategorie: Urteil- und Entscheidungsbesprechung
Schwangerschaftsabbruch oder Totschlag? „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Wer jedoch einen bereits geborenen Menschen vorsätzlich tötet, wird wegen Totschlags (§ 212 StGB) mit nicht unter fünf Jahren oder wegen Mordes (§ 211 StGB) mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Ab wann der Anwendungsbereich des Totschlags eröffnet ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 128/23) in seinem Beschluss vom 2. November 2023 entschieden. Die Angeklagte, die als Hebamme tätig war, bestärkte die Nebenklägerin darin, eine Hausgeburt durchzuführen. In den Jahren, in denen sie als Hebamme arbeitete, entwickelte sie tiefgreifende Vorbehalte gegen Krankenhausgeburten. Nach dem...
Das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion nach § 308 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft und ist daher ein Verbrechen. Einschlägig ist der § 308 Abs. 1 StGB, wenn durch Sprengstoff eine Explosion herbeigeführt wird und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. Denkbar als Tatwerkzeug sind unter anderem Böller oder Gasflaschen. Im § 307 StGB ist dagegen das Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie geregelt. Um das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion ging es auch im Beschluss des Bundesgerichtshofes (6 StR 118/23) vom 28. Juni 2023. Die Angeklagten sprengten in...
Jugendstrafrecht ist in den normalen Strafrechtsvorlesungen im Normalfall kein Thema. Doch kann man sich mit dem Jugendstrafrecht und seinen Unterschieden zum Erwachsenenstrafrecht oftmals im Schwerpunktstudium beschäftigen. Auch die Beurteilung der Haftstrafe unterscheidet sich. So ist ein Freiheitsentzug in Form einer Jugendstrafe gemäß § 17 JGG beim Vorliegen schädlicher Neigungen des Jugendlichen oder wegen Schwere der Schuld möglich. Wann die Schwere der Schuld festgestellt werden kann und wie die Jugendstrafe zu bemessen ist, hat der Bundesgerichtshof (3 StR 481/22) in seinem Beschluss vom 7. Februar 2023 beantwortet. Der Angeklagte wurde vom Landgericht Krefeld wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung...
Was ist unter einem Mord aus niedrigen Beweggründen zu verstehen? Da der Begriff zuerst sehr breitgefächert wirkt, muss dieses Mordmerkmal weiter eingegrenzt werden. Es kommt in vielen Fällen in Betracht, doch musst zuerst eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen werden, um einen Mord aus niedrigen Beweggründen feststellen zu können. Beweggründe sind dann niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die bereits erwähnte Gesamtwürdigung muss sowohl alle äußeren als auch alle inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgebliche Faktoren berücksichtigen. Der Mord aus niedrigen Beweggründen war auch Mittelpunkt des Beschlusses des Bundesgerichtshofes (1 StR...
Verhandlungen im Strafrecht sind gemäß § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) grundsätzlich öffentlich abzuhalten. Auch unbeteiligte Bürgen können daher an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen. Dadurch sollen Gerichte kontrolliert werden und den Menschen die Möglichkeit gegeben werden, sich von der Rechtmäßigkeit des Rechtsfindungsprozesses überzeugen zu können. Anders ist diese Vorgehensweise im Jugendstrafrecht geregelt. „Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Entscheidung ist nicht öffentlich“, heißt es im § 48 Jugendgerichtsgesetz (JGG). Diese Vorschrift dient dem Schutz der Jugendlichen. Mit einer Ausnahme dieser Vorschrift hat sich der Bundesgerichtshof (5 StR 205/23) in seinem Beschluss vom 18. August 2023 beschäftigt. Der Bundesgerichtshof setzte...
Wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement) handelt mit bedingtem Tötungsvorsatz. Bei eine hohen und anschaulichen Lebensgefährlichkeit der Tatausführung, ohne dass der Täter tatsachenbasiert auf einen glücklichen Ausgang vertrauen kann, liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nahe. Wie in anderen Fällen mit dem bedingtem Tötungsvorsatz umzugehen ist, stellte der Bundesgerichtshof (5 StR 28/22) in seinem Beschluss vom 10. Mai 2022 klar. Bei der Angeklagten handelte es sich um die Mutter der Geschädigten, die zur Zeit der Tat in einem Kinderkrankenhaus lag. Die Angeklagte, die als...
Auch das Überfahren einer roten Ampel mit dem Fahrrad kann zu nicht unbeachtlichen Konsequenzen führen. Ein Rotlichtverstoß mit dem Fahrrad stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und wird mit 60,00 € Bußgeld sowie einem Punkt geahndet. Wenn die Ampel bereits länger als eine Sekunde rot war, erhöht sich das Bußgeld auf 100,00 €. Auch bei einer Gefährdung, einem Unfall oder einer Sachbeschädigung erhöht sich das Bußgeld entsprechend. Doch ob auch ein Rotlichtverstoß angenommen werden kann, wenn die Ampelanlage dauerhaft rot zeigt, hatte das Oberlandesgericht Hamburg (5 ORbs 25/23) in seinem Beschluss vom 11. September 2023 zu beurteilen. Die betroffene Fahrradfahrerin hielt vor...