Kategorie: Rolle im Strafprozess

Dem Verteidiger dürfen Teile der Ermittlungsakte auch dann nicht vorenthalten werden, wenn das Gericht ihren Inhalt für nicht entscheidungserheblich hält

Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Verteidigung. Denn ohne zu wissen, was die Strafverfolgungsbehörden gegen den Mandanten in der Hand haben, macht eine Verteidigung keinen Sinn. Ob der Verteidiger den gesamten Inhalt der Ermittlungsakte für eine erfolgreiche Verteidigung kennen muss, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls obliegt die Entscheidung darüber, welche Teile der Akte sich der Verteidiger ansieht, allein ihm selbst – wie der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 10. Mai 2017 – 1 StR 145/17 nun klarstellen musste. In der vom BGH zu verhandelnden Revision ging es um die Frage, ob dem Verteidiger des Angeklagten zu Unrecht...

Strafbefehlsverfahren: Keine Verwerfung des Einspruchs bei Abwesenheit des Angeklagten und des Verteidigers in der Hauptverhandlung, wenn die Beiordnung eines Pflichtverteidigers rechtsfehlerhaft unterblieben ist

Durch den Erlass eines Strafbefehls kann eine Strafsanktion gegen den Angeklagten festgesetzt werden, ohne dass zuvor eine Verhandlung vor dem zuständigen Amtsgericht stattgefunden hat. Da der Angeklagte auf diese Weise jedoch allein „aufgrund der Aktenlage“ verurteilt werden kann, besteht für ihn immer noch die Möglichkeit des Einspruchs gegen den Strafbefehl. Ist der Einspruch rechtzeitig eingelegt worden, findet dann in der Regel eine Hauptverhandlung statt. Zu dieser muss der Angeklagte, der den Einspruch eingelegt hat, dann aber auch erscheinen. Ist der Angeklagte dennoch nicht zur Hauptverhandlung erschienen und auch nicht genügend entschuldigt, hat das Gericht die Möglichkeit, ohne Verhandlung zur Sache...

Entbindung eines Schöffen wegen Urlaubs kann zur Aufhebung des Urteils führen

Auch Schöffen brauchen Urlaub, keine Frage. Fällt dieser Urlaub jedoch in eine über mehrere Tage terminierte Hauptverhandlung, so sollten die Gründe für den Urlaub detailliert und nachvollziehbar dargelegt werden. Denn unterläuft dem Gericht bei der Entbindung eines Schöffen ein Fehler, so kann dies zur Aufhebung eines später gefassten Urteils führen. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 14. Dezember 2016 – 2 StR 342/15 eine Entscheidung des Landgerichts Darmstadt wegen vorschriftswidriger Besetzung des Gerichts aufgehoben. Der Vorsitzende Richter der Strafkammer hatte einem Hauptschöffen Urlaub gewährt, ohne die tatsächlichen Grundlagen des Urlaubs hinreichend zu erfragen. Im Einzelnen spielte sich Folgendes...

Fehlender interner Geschäftsverteilungsplan einer Strafkammer – Bundesgerichtshof hebt Urteil auf

Geschäftsverteilunspläne sind ein Muss für jedes Gericht. Aber auch innerhalb der einzelnen Kammern ist es unerlässlich, dass bereits vor Eingang der Klage feststeht, welcher Richter für den Fall zuständig ist. Dies wird durch das grundrechtlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter gewährleistet. Wird es verletzt, liegt ein absoluter Revisionsgrund vor, der zur Aufhebung des Urteils führt. So hob der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 8. Februar 2017 – 1 StR 493/16 ein Urteil des Landgerichts München wegen Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter auf. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hatte versäumt, einen Geschäftsverteilungsplan schriftlich zu beschließen. Stattdessen war die Kammer mündlich übereingekommen, den...

BGH zur Unverwertbarkeit eines Geständnisses bei bewusster Täuschung des Beschuldigten über die Beweislage

Examenskandidaten aufgepasst! Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Entscheidung veröffentlicht, die definitiv in einer der nächsten Examenskampagnen abgefragt wird. Denn die Entscheidung betrifft einen strafprozessualen Klassiker – die Abgrenzung zwischen kriminalistischer List und Täuschung im Rahmen der durch § 136a StPO verbotenen Vernehmungsmethoden. Der Angeklagte musste sich wegen Mordes vor dem Landgericht Frankfurt verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, seine damalige Freundin brutal getötet zu haben, indem er ihr mit einem schweren Gegenstand mindestens neun Mal wuchtig auf den Kopf geschlagen und ihr anschließend vier Schnittverletzungen am Hals zugefügt haben soll, die zur Öffnung des Kehlkopfs führten. Die Geschädigte starb infolge des Verblutens....

Der Begriff der Täuschung im Rahmen der verbotenen Vernehmungsmethoden des § 136a StPO

Heute widmen wir uns einer Definition, die zumindest im zweiten Examen im Schlaf beherrscht werden sollte. Denn die Fallgruppen der verbotenen Vernehmungsmethoden des § 136a StPO spielen in so gut wie jeder strafrechtlichen Klausur eine Rolle. Erklärt wird der wohl am häufigsten behandelte Begriff der Täuschung. Der Wortlaut des § 136a Abs. 1 S. 1 StPO lautet wie folgt: Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Misshandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. Definition: Täuschung ist die bewusste Einwirkung auf das Vorstellungsbild des...

Marihuana in der Mietwohnung – Mieter muss nicht immer für Wohnungsschäden nach Polizeieinsatz aufkommen

Im Zuge von strafrechtlichen Ermittlungen kommt es regelmäßig zu Wohnungsdurchsuchungen, insbesondere wenn der Verdacht auf einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) vorliegt. Oftmals meldet sich dann die Polizei früh morgens an der Wohnung des Betroffenen und präsentiert diesem einen entsprechenden richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Unter Umständen muss sich die Polizei aber auch mit Gewalt Zutritt zu der Wohnung verschaffen. Und dass eine solche Durchsuchung grundsätzlich ihre Spuren hinterlässt, kann man sich auch vorstellen. Doch wer muss eigentlich zahlen, wenn die Wohnung bei der Durchsuchung beschädigt wird? In Nürnberg begehrte eine Wohnungseigentümerin von ihrem (ehemaligen) Mieter Schadensersatz in Höhe von 1.570,92 €, weil...