Kategorie: Rolle im Strafprozess

Fortdauer der Untersuchungshaft darf nicht lediglich mit dem Verweis auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen oder frühere Haftfortdauerentscheidungen begründet werden

Die Untersuchungshaft ist für den Beschuldigten die schwerwiegendste Maßnahme, da sie erheblich in Freiheitsrechte eingreift, obwohl eine rechtskräftige Verurteilung noch nicht vorliegt. Aus diesem Grund gibt es die Möglichkeit, den Haftbefehl, der Grundlage der Untersuchungshaft ist, überprüfen zu lassen. Wird der Haftbefehl nicht aufgehoben, so kann gegen diese Entscheidung Haftbeschwerde eingelegt werden. Wurde Anklage vor einem Oberlandesgericht erhoben, so ist der Bundesgerichtshof (BGH) für Haftbeschwerden zuständig und bekommt dadurch die Möglichkeit, grundsätzliche Ausführungen zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft zu machen. Dies hat er mit seinem Beschluss vom 29. September 2016 – StB 30/16 getan, in dem er einer Haftbeschwerde stattgegeben...

Neues vom BGH: Die Vernehmung eines Zeugen durch den Richter außerhalb des Sitzungssaales ist auch dann nicht zulässig, wenn sie audiovisuell übertragen wird

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Beschluss vom 20. September 2016 – 3 StR 84/16 eine spektakuläre Entscheidung getroffen, an der sich künftige audiovisuelle Vernehmungen messen lassen müssen. Denn der BGH erklärte eine Vernehmung für unzulässig, in der die Zeugin von dem Richter in einem separaten Raum vernommen und dies audiovisuell in den Sitzungssaal übertragen worden ist. Die Folge: Ein Urteil des Landgerichts Lüneburg, durch das der Angeklagte wegen Mordes in zwei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und sogar die besondere Schwere der Schuld bejaht wurde, musste aufgehoben werden. Was passiert ist: Dem Angeklagten, einem Kurden jesidischen Glaubens, wurde...

Urteilsabsetzung kann wichtiger sein als die Durchführung einer Hauptverhandlung

Bekanntlich beschweren sich Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht gerade darüber, dass sie zu wenig zu tun hätten. Jedes Jahr müssen eine enorme Vielzahl von größeren und kleineren Fällen bearbeitet werden, viele davon gleichzeitig. Dass es dabei hin und wieder zu Verzögerungen im geplanten Arbeitsablauf kommen kann, haben wir bereits an dieser Stelle gezeigt. Trotz aller Schwierigkeiten ist es unerlässlich, bei der Bearbeitung der einzelnen Sachen die jeweils vorgegebenen Fristen einzuhalten. Eine wichtige Frist für das Gericht ist die sogenannte Urteilsabsetzungsfrist gemäß § 275 Abs. 1 StPO. Demnach muss das Urteil mit den Gründen unverzüglich, spätestens aber fünf Wochen nach seiner Verkündung zu...

Bücher Strafrecht

Für die, die es ganz genau wissen wollen: Der ASSEX-Vorbereitungslehrgang „Anklageschrift, Einstellungsverfügung, Dezernat und Plädoyer“ in 14. Auflage

Es soll vorkommen, dass Referendare in der Staatsanwaltschaftsstation brauchbare Verfügungen und Anklagen verfassen möchten und nicht nur das für die Klausur Nötigste mitnehmen wollen. Für diese Zielgruppe erscheint im Lange Verlag der Titel „Anklageschrift, Einstellungsverfügung, Dezernat und Plädoyer“ von Solbach/Auchter-Mainz/Deller/Schützeberg in mittlerweile vierzehnter Auflage. Die kleine Reihe (ASSEX steht für Assessorexamen) zeichnet sich optisch seit jeher neben dem knallig-roten Einband vor allem durch eine etwas spröde Anmutung aus. Dies betrifft nicht nur das Cover, sondern auch das Inhaltsverzeichnis und die Übersichten. Sollte einmal etwas Geld aufzutreiben sein, würden wir empfehlen, dass sich einmal ein Setzer dieses Problems annimmt. Jedenfalls das...

Ungebühr im Gerichtssaal – Richter setzt Ordnungsgeld gegen den Angeklagten fest

Im Strafverfahren kann es schon mal emotional werden – schließlich steht für die auf der Anklagebank sitzende Person oder andere Betroffene viel auf dem Spiel. Nicht jedem gelingt es in dieser Situation, einen kühlen Kopf zu bewahren. Auch vor dem Amtsgericht Bocholt schien es einem Angeklagten schwer zu fallen, der Verhandlung ruhig zu folgen. Laut Sitzungsprotokoll verweigerte der Angeklagte schon zu Beginn der Hauptverhandlung das Hinsetzen und forderte von dem Richter Unterlagen ein, aus denen sich dessen Befugnis, staatlicher Richter zu sein, ergeben sollte. Als dann Zeugen vernommen wurden, zeigte der Angeklagte mit „dem nackten Finger“ auf den Richter und...

Gute Neuigkeiten für Pflichtverteidiger: Keine Rücknahme der Verteidigerbestellung, wenn sich die Beurteilung ihrer Notwendigkeit nachträglich ändert

Als Strafverteidiger weiß man, dass eine gute Verteidigung den Gang des Verfahrens ganz erheblich beeinflussen kann und in jedem Fall unerlässlich ist. Der Gesetzgeber sieht die Verteidigung jedoch nicht in jeder Situation als notwendig an. Vielmehr hat er in § 140 StPO Fallgruppen normiert, in denen eine Verteidigung notwendig und ein Pflichtverteidiger, wenn der Angeklagte selbst keinen Wahlverteidiger benennt, vom Gericht bestellt werden muss. Ist die Verteidigerbestellung erst einmal vorgenommen, so kann sie nicht ohne weiteres wieder zurückgenommen werden. Dies gilt nach einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts (LG) Bonn vom 22.01.2016 – 21 Qs-660 Js 405/14-72/15 auch dann, wenn sich...