Kategorie: Rechtsgebiete Strafrecht

Dem Verteidiger dürfen Teile der Ermittlungsakte auch dann nicht vorenthalten werden, wenn das Gericht ihren Inhalt für nicht entscheidungserheblich hält

Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Verteidigung. Denn ohne zu wissen, was die Strafverfolgungsbehörden gegen den Mandanten in der Hand haben, macht eine Verteidigung keinen Sinn. Ob der Verteidiger den gesamten Inhalt der Ermittlungsakte für eine erfolgreiche Verteidigung kennen muss, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls obliegt die Entscheidung darüber, welche Teile der Akte sich der Verteidiger ansieht, allein ihm selbst – wie der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 10. Mai 2017 – 1 StR 145/17 nun klarstellen musste. In der vom BGH zu verhandelnden Revision ging es um die Frage, ob dem Verteidiger des Angeklagten zu Unrecht...

Ein verbotenes „Rennen mit Kraftfahrzeugen“ kann schon auf kurzer Strecke vorliegen, selbst wenn keine „absoluten“ Höchstgeschwindigkeiten erreicht werden

Mit seinem „Raser-Urteil“ hat das Landgericht Berlin – (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16) – im Februar 2017 für großes Aufsehen gesorgt, weil es die Angeklagten im Zusammenhang mit einem illegalen Straßenrennen, bei dem ein unbeteiligter Autofahrer getötet worden war, wegen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt hat. Die juristische Überprüfung dieses Urteils durch den Bundesgerichtshof steht noch aus. Dennoch setzte das Urteil des Landgerichts Berlin ein deutliches Zeichen in Richtung der Raser-Szene. Auch das Berliner Kammergericht hat sich in seinem Beschluss vom 07. Juni 2017 – 3 Ws (B) 117 – 118/17) – zum Vorliegen eines Straßenrennens geäußert, hier jedoch in...

Komisches vorm Kammergericht: Eignung einer 256 Farbtöne abstrahlenden Lampe zum Morsen mit Mitgefangenen

Das Kammergericht Berlin musste mit seinem Beschluss vom 12. Juni 2017 – 2 Ws 46/17 Vollz –  über die Frage entscheiden, ob ein Gefangener in der Justizvollzugsanstalt Tegel in Berlin seinen Haftraum mit einer Lampe ausstatten darf, die buntes anstatt weißes Licht abstrahlt. Hintergrund dieser absurd klingenden Entscheidung war, dass ein wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilter Gefangener sich eine LED-Lampe zur Ausstattung seines Haftraumes bestellt hatte, mit der er den Raum per Fernbedienung in 256 unterschiedlichen Farben hätte ausleuchten können. Der Justizvollzugsanstalt schien diese Idee nicht zu gefallen – sie weigerte sich, dem Betroffenen die bestellte Lampe auszuhändigen. In...

Beihilfe zur Fahrerflucht ist auch dann noch möglich, wenn die unmittelbare Örtlichkeit des Unfalls bereits verlassen wurde

Eine interessante Entscheidung zur Unfallflucht hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe kürzlich veröffentlicht. Das Urteil vom 10. Juli 2017 (2 Rv 10 Ss 581/16) ist nicht nur in tatsächlicher Hinsicht, sondern auch rechtlich interessant. Denn neben dem Umstand, dass es sich bei den beiden Angeklagten um Polizeibeamten handelt, musste sich das OLG mit dem Thema der Beihilfe zur Unfallflucht und dem Zeitpunkt der Beendigung der Unfallflucht befassen. Aber was war genau passiert? Die beiden angeklagten Polizeibeamten hatten mit einem Kollegen ein Fest besucht. Auf dem Weg nach Hause verursachte der Kollege der beiden Angeklagten in seinem alkoholisierten Zustand dann einen tragischen...

Strafbefehlsverfahren: Keine Verwerfung des Einspruchs bei Abwesenheit des Angeklagten und des Verteidigers in der Hauptverhandlung, wenn die Beiordnung eines Pflichtverteidigers rechtsfehlerhaft unterblieben ist

Durch den Erlass eines Strafbefehls kann eine Strafsanktion gegen den Angeklagten festgesetzt werden, ohne dass zuvor eine Verhandlung vor dem zuständigen Amtsgericht stattgefunden hat. Da der Angeklagte auf diese Weise jedoch allein „aufgrund der Aktenlage“ verurteilt werden kann, besteht für ihn immer noch die Möglichkeit des Einspruchs gegen den Strafbefehl. Ist der Einspruch rechtzeitig eingelegt worden, findet dann in der Regel eine Hauptverhandlung statt. Zu dieser muss der Angeklagte, der den Einspruch eingelegt hat, dann aber auch erscheinen. Ist der Angeklagte dennoch nicht zur Hauptverhandlung erschienen und auch nicht genügend entschuldigt, hat das Gericht die Möglichkeit, ohne Verhandlung zur Sache...

Von wegen zu milde Strafen – Angeklagter kassiert sechs Monate Freiheitsstrafe für den Diebstahl von einem Paket Tabak im Wert von 18,50 €

Man hört ja immer wieder, dass die Gerichte angeblich zu lasch bestrafen würden. In Münster jedenfalls scheint das anders zu sein. Denn hier wurde der Angeklagte wegen Diebstahls von einem Paket Tabak im Wert von 18,50 € zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Über diese Strafhöhe staunt man in Berlin nicht schlecht. Aber auch dem Angeklagten schien diese Strafe deutlich zu hoch gewesen sein, sodass er gegen die amtsgerichtliche Verurteilung zunächst Berufung einlegte. Das Landgericht Münster hatte allerdings auch keine Bedenken gegen die Höhe der Strafe. Dem Angeklagten blieb somit nur der Weg zum Oberlandesgericht (OLG) Hamm, welches das...

Keine Unfallflucht bei Verzicht auf das Herbeirufen der Polizei

Eine Sekunde der Unachtsamkeit und schon kracht`s – ein Unfall im Straßenverkehr, der eigentlich keine strafrechtliche Relevanz hätte, wenn nicht die Unfallflucht im Strafgesetzbuch geregelt wäre. Es stellt sich also die Frage, wie man sich nach einem Unfall zu verhalten hat, um kein Ermittlungsverfahren zu riskieren. Muss man seine Personalien angeben und die Polizei rufen? Und zu welchem Zeitpunkt kann man sich dann eigentlich (straflos) vom Unfallort entfernen? Das sind Fragen, die anscheinend auch unter den Gerichten nicht immer eindeutig sind. Eine Entscheidung, die auf diese Fragen hilfreiche Antworten gibt, hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg mit seinem Beschluss vom...