Kategorie: Strafprozessrecht

Gefährdung von Laib und Leben – Schnittbrot als Tatmittel für die Körperverletzung

So mancher Strafrichter am Amtsgericht Tiergarten wird mehr über zweckentfremdete Lebensmittel erzählen können als ein Fantasy-Autor. Im Juli 2015 ging man der Frage nach, inwiefern Rotwein als Tatmittel für eine (versuchte) Sachbeschädigung in Betracht kommt. Doch bereits im März 2014 entschied das Amtsgericht Tiergarten über einen ähnlich köstlichen Fall – Körperverletzung, begangen mit Schnittbrot. Der Angeklagte saß mit einem Kumpel vor einem Supermarkt und trank Alkohol. Ein anderer Mann bettelte vor dem Eingang. Als der spätere Geschädigte um Geld gebeten wurde, verneinte er zwar die Geldspende, kaufte dem Bettelnden aber ein Schnittbrot. Der Angeklagte hatte dies beobachtet und begann den...

Dealen vor Gericht will gelernt sein – Neues zur Belehrungspflicht bei Verständigungen

Es scheint, als wäre der Deal im Verhandlungssaal des Strafgerichts noch nicht richtig angekommen. Zwar gibt es die sogenannten Verständigungen zwischen dem Gericht und dem Angeklagten schon lange, sie werden aber noch lange nicht so ausgeführt, wie es eigentlich sein sollte. Denn immer wieder hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seinen Revisionen mit dem Ablauf von Verfahrensabsprachen und ihrer Richtigkeit zu befassen. Nicht selten geht es dabei um die Belehrungs- und Mitteilungspflichten des Gerichts im Zusammenhang mit Verfahrensabsprachen. Nun findet sich in der Entscheidungsdatenbank des BGH wieder ein Beschluss, in dem der BGH ein Urteil der Vorinstanz aufheben musste, weil...

Jahrelanger Rechtsstreit um den Beinahetreffer beendet – Bundesverfassungsgericht stärkt Bundesgerichtshof den Rücken

Der lange Rechtsstreit um den sogenannten „Beinahetreffer“ ist beendet. Fast vier Jahre ist es nun her, dass das Landgericht Osnabrück den damals 16-jährigen Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung verurteilte. Der Fall wanderte bis zum Bundesgerichtshof und sogar zum Bundesverfassungsgericht, wo der Betroffene nun mit seiner Verfassungsbeschwerde endgültig scheiterte. Der Beinahetreffer Gegenstand des Verfahrens war die Verwertbarkeit des sogenannten Beinahetreffers bei einem Reihengentest nach § 81h StPO . Der Reihengentest ist eine Ermittlungsmaßnahme zur Aufklärung von gewichtigen Straftaten, bei der auf freiwilliger Grundlage DNA-Proben genommen werden, die mit Spuren am Tatort abgeglichen werden. Von einem Beinahetreffer ist hier die Rede, wenn bei...

Wein verschütten darfst du nicht, sonst kommst du vor das Amtsgericht.

Vor dem Amtsgericht werden ja hin und wieder Fälle verhandelt, die einem die Tränen in die Augen treiben. Manchmal weiß man allerdings nicht so recht, ob man über den angeklagten Sachverhalt aus Freude oder aus Trauer weinen soll. In der vergangenen Woche konnte man eine solche Situation auch vor dem Amtsgericht Tiergarten miterleben. Der Anklagevorwurf: Versuchte Sachbeschädigung. Der Angeklagte soll bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung den Wein aus seinem Glas in Richtung des Podiums geschüttet haben, um seinen Unmut über die Redner und deren Meinungen auszudrücken. Getroffen wurde niemand. Auch konnte der Wein vom Boden vollständig entfernt werden. Ein Schaden entstand...

Mord en miniature

Im Polizeiruf vom 28. Juni 2015 wird in einem Waldstück bei München die Leiche der Möbelfabrikantin Hoffer und die ihres Hundes gefunden. Obwohl die Leiche teilweise entkleidet ist, schließt der Rechtsmediziner ein Sexualdelikt aus. Die Kommissare Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) und Constanze Hermann (Barbara Auer) finden bald heraus, dass sich ein Motiv für den Mord an der Unternehmerin aber auch aus ihrem beruflichen oder privaten Umfeld ergeben könnte. Hoffer plante, den Betrieb ins Ausland zu verkaufen, wodurch die Mitarbeiter in Bayern ihren Job verloren hätten. Ein Mord zum Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes würde mit Sicherheit als niedriger Beweggrund bewertet...

Bundesgerichtshof nimmt agent provocateur an die Leine

Manchmal geschehen eben doch noch Wunder. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) die Anstiftung zu Straftaten durch verdeckte Ermittler lange Zeit gebilligt hat, vollzog er kürzlich eine Kehrtwende und änderte seine Rechtsprechung zur rechtsstaatswidrigen Tatprovokation. Das Handeln eines sogenannten agent provocateurs kann nun zu einem Verfahrenshindernis führen. Gott sei dank – oder besser gesagt: dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sei dank. Was ist ein agent provocateur? Als agent provocateur bezeichnet man einen polizeilichen Lockspitzel, der Verdächtige zur Begehung von Straftaten veranlasst, um sie dabei überführen zu können. Der Staat macht sich also zum Gesetzesbrecher, um böse Schurken hinter Gitter zu bringen....

NSU-Reihe: Reden ist Silber – Schweigen ist Gold

In den letzten Wochen gab es immer wieder Berichte über Beate Zschäpe und ihren Gesundheitszustand. Die im NSU-Prozess Angeklagte Zschäpe wirkt zunehmend angeschlagen, was auch ein Gutachten des Münchner Psychiaters Norbert Nedopil bestätigte. Grund dafür soll unter anderem die Verteidigungsstrategie sein, für die sich Beate Zschäpe mit ihren Anwälten entschieden hat. Die Angeklagte macht seit Beginn des Prozesses von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Vorteil dieser Strategie ist, dass Beate Zschäpe sich nicht zur Sache äußern muss. Sie kann sich nicht in etwaige Widersprüche verrennen und überlässt es dem Gericht, das Geschehen aufzudecken. Dies ist ihr gutes Recht. Doch auch ein Nachteil...