Kategorie: Strafprozessrecht

Durchsuchung von Rechtsanwaltskanzlei

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 31. August 2010 –2 BvG 223/10– festgestellt, dass eine Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei wegen Verdachts der Verteitung zu einer missbräuchlichen Asylantragstellung gem. § 84 Abs. 1 AusylVfG durch die betreuende Rechtsanwältin rechtswidrig gewesen ist. Dem lag zu Grunde, dass die Rechtsanwältin die Ehefrau des Asylbewerbers beraten hat, welche Möglichkeiten bestehen, den Ehemann nach Deutschland zu holen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei nur angeordnet werden darf, wenn dieser Eingriff verhältnismäßig ist. Der Normzweck von § 84 Abs. 1 AsylVfG sei es, Schlepperbanden zu bekämpfen, nicht aber, eine anwaltliche Beratung praktisch unmöglich...

Voreingenommene Richter bei Kinderpornografie

Laut Bericht von www.heute.de ist am gestrigen Tage der in Deutschland größte Kinderpornografieprozess geplatzt. Vor dem Landgericht in Darmtstadt werden neun Männer eines Kinderpornografieringes beschuldigt, über einen längeren Zeitraum kinderpornografisches Videos und Bilder verbreitet zu haben. Am vierten Verhandlungstag hat eine Schöffin ihre Voreingenommenheit öffentlich zum Ausdruck gebracht. Sie sagte: Wo sind wird hier denn? In einem Pädophilenprozess. Die haben Straftaten begangen. Dem Befangenheitsantrag eines Rechtsanwaltes erteidigung wurde anscheinend ohne weitere Begründung durch das Gericht stattgegeben. Die Regeln über die Ausschließung eines Richters finden sich in den §§ 22 ff. der StPO. Ein Richter ist gem. § 22 StPO und...

Berufung beschränkt auf Bewährung?

Nach Auffassung des Oberlandesgericht Oldenburg in seiner Entscheidung vom 13.07.2010 – 1 Ss 91/10 – wird ein Berufungsgericht nicht von seiner Verpflichtung entbunden, zur Strafhöhe Stellung zunehmen, obwohl das Rechtsmittel auf die Prüfung der Frage nach der Aussetzung zur Bewährung beschränkt war. Als Begründung führt das OLG aus, dass die Höhe einer Freiheitsstrafe Auswirkungen auf die Frage haben kann, ob eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Deshalb ist auch im Falle einer „Beschränkung“ grds. die Strafe als solches zu überprüfen. Das Berufungsgericht muss eigene Erwägungen zur Strafhöhe anstellen. Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Berlin

Verteidigerpost darf bei beleidigendem Inhalt verwertet werden,

obwohl diese als Zufallsfund im Haftraum des Mandanten beschlagnahmt wurde. Voraussetzung ist, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses gewichtige Anhaltspunkte für eine (versuchte) Strafvereitelung des Rechtsanwaltes bestanden haben, die über den für den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses erforderlichen Anfangsverdacht hinausgehen. So zumindest das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 20.05.10 – 2 BvR 141309 –. Da diese Schriftstücke verwertet werden durften, wurde der Rechtsanwalt im vorliegenden Verfahren wegen Beleidigung verurteilt. Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Berlin

Die Auswahl des Pflichtverteidigers oder: Auf den Richter kommt es an

ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Toralf Nöding Das deutsche Strafprozessrecht gibt jedem Angeklagten unter bestimmten Voraussetzungen das Recht auf einen sog. Pflichtverteidiger – insb. dann, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr droht, Untersuchungshaft angeordnet wurde oder die Sache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht besonders kompliziert ist. Liegt eine dieser Voraussetzungen vor, stellt das Gericht dem Angeklagten einen Verteidiger. Dessen Honorar wird aus der Staats- bzw. Landeskasse bestritten; er kostet den Angeklagten zunächst also nichts. Das ändert sich jedoch, wenn der Angeklagte – trotz Vertretung durch den Pflichtverteidiger – verurteilt wird. Dann holt sich der Staat das verauslagte Verteidigungshonorar...

Revison wegen mangelnder Akteneinsicht

In dem Verfahren des Bundesgerichtshofes – 4 StR 599/09 – warf der BGH zunächst die Frage auf, ob sich das Akteneinsichtsrecht gem. § 147 StPO auch auf Ermittlungsakten im Zusammenhang stehender anderer Verfahren erstreckt, die durch das Gericht nicht beigezogen worden sind. Er deutete an, dass dies unter Umständen nicht der Fall sei. Ausgangspunkt wäre der Wortlauf  von Abs. 1: (1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen … Da die Akten aus den anderen Verfahren dem Gericht nicht vorliegen, kann sich der Verteidiger nicht auf § 147 StPO stützen. Der BGH brauchte die Frage aber nicht...

Abwesenheit des Angeklagten

Ein Gastbeitrag von Alexander Barthel Der Europäische Gerichthof für Menschrechte (EGMR) hat in einem Urteil vom 22 September 2009 seine ständige Rechtsprechung zum fairen Verfahren und dem Grundsatz einer effektiven Verteidigung des Angeklagten im Strafverfahren erneut bestätigt (Dr. Wolfram Karl, LLM, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 6 Rn 385). Im vorliegenden Fall war eine Berufung von einem finnischen Gericht verworfen worden, weil der Angeklagte schuldhaft zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, obwohl sein Rechtsanwalt verteidigungsbereit anwesend war. Der EGMR sah in der Verwerfung der Berufung alleine auf Grund der fehlenden Anwesenheit des Angeklagten eine Verletzung des Art. 6 Abs....