Kategorie: Verfahrensstadium

Beweisziel und Beweistatsache für Beweisantrag

In seiner Entscheidung vom 05.10.2011 – 4 Str 423/11 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Revision als unbegründet verworfen, weil vor dem Landgericht kein korrekter Beweisantrag gestellt worden ist. In dem zugrundeliegendem Verfahren vor dem Landgericht hatte der Verteidiger einer Angeklagten beantragt, dass Briefe mit einem Umfange von ca. 100 Seiten verlesen werden sollen, weil sich aus den Briefen ergeben würde, dass ein Mitangeklagter der Angeklagten gedroht habe, sie falsch zu belasten. Der BGH führt aus, dass es sich hierbei nicht um einen Beweisantrag handeln würde, da lediglich das Beweisziel mitgeteilt wird. Zu einem Beweisantrag gehört aber auch die Beweistatsache....

Unwirksamer Eröffnungsbeschluss durch Landgericht im Revisionverfahren

Immer wieder kommt es vor, dass in einer Hauptverhandlung weitere Verfahren verbunden werden sollen, die bisher nicht durch Eröffnungsbeschluss zum Hauptverfahren zugelassen worden sind. Vor dem Amtsgericht ist dies immer kein Problem, soweit der Angeklagte auf etwaige noch nicht abgelaufene Ladungsfristen verzichtet. Bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht gilt es aber für das Gericht, eine revisionsrechtliche Klippe zu umschiffen. Nach § 76 Abs. 1 GVG ist eine große Strafkammer mit drei Berufsrichtern besetzt. Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt in der Regel die große Strafkammer gem. § 76 Abs. 2 GVG, dass sie in der Hauptverhandlung lediglich mit zwei Berufsrichtern...

Ich brauche keinen Anwalt, ich bin unschuldig!

So oder ähnlich dachten Mandanten, bevor sie in den Mühlen der Justiz gemahlen, zum Teil auch zermahlen worden sind. Letzte Woche konnte ich ein Verfahren vor dem Landgericht Berlin zur Einstellung bringen, in welchem der Mandant die Mühlsteine der Justiz bis zur erstinstanzlichen Verurteilung vor dem Amtsgericht ertragen hatte. Nach seiner Verurteilung vor dem Amtsgericht war sein Vertrauen in die Strafrechtspflege vollständig zerstört und er wandte sich an mich. Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, seinen Hausmeister in Berlin Kreuzberg körperlich angegriffen zu haben. Der Hausmeister sollte sich laut der Ermittlungsakte leichteste Verletzungen zugezogen haben. Als braver Staatsbürger folgte unser Mandant der...

Hoffnung hinter Gittern

Ein Gastbeitrag von Claire Dourlen, Jurastudentin an der Humboldt-Universität zu Berlin Teil 3 Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urt. v. 17.12.2009 – 19359/04, NJW 2010, 2495 ff.) Der Beschwerdeführer wurde 1986 vom LG Marburg wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Raub zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Anschließend wurde seine Unterbringung in die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Höchstfrist der Sicherungsverwahrung betrug nach dem zum Zeitpunkt der Verurteilung geltenden § 67 d Abs. 1 StGB bei erstmaliger Unterbringung zehn Jahre. Diese Frist wurde 1998 gestrichen. Das Bundesverfassungsgericht – BVerfGE 109, 133 – NJW 2004, 739 – entschied, dass die erfolgte...

Hoffnung hinter Gittern

Ein Gastbeitrag von Claire Dourlen, Jurastudentin an der Humboldt-Universität zu Berlin Teil 2 Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung Die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung im Sinne von § 66 a StGB kam in Betracht, wenn bei dem Täter einen Hang zu erheblichen Straftaten vorlag, die von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB geforderte Gefährlichkeit jedoch „nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar“ war. Dies ist der Fall gewesen, wenn eine erhebliche, nahe liegende Wahrscheinlichkeit dafür festgestellt wurde, dass der Täter für die Allgemeinheit gefährlich war und dies auch zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung noch sein würde. Formell wurde darüber hinaus eine Anlassverurteilung wegen einer der in § 66...

Was passiert, wenn der Angeklagte nicht zur Verhandlung erscheint – Teil 3

Ein Gastbeitrag von Nika Telysheva, Jurastudentin an der Freien Universität Berlin Teil 3 Anwesenheit bei der Berufung und Einspruch Wenn man eine Berufung bzw. einen Einspruch gegen einen Strafbefehl einlegt, wird es natürlich erwartet, dass derjenige, der das Rechtsmittel eingelegt hat sich für die Endentscheidung interessiert und deswegen auch zur Verhandlung erscheint oder zumindest seinen Vertreter in den zulässigen Fällen beauftragt. Erscheint weder der Angeklagte noch sein bevollmächtigter Vertreter, so wird die Berufung gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO ohne Verhandlung zur Sache verworfen. Für den Einspruch gilt § 329 gemäß § 412 Satz 1 entsprechend. Deswegen empfiehlt...

Hoffnung hinter Gittern

Ein Gastbeitrag von Claire Dourlen, Jurastudentin an der Humboldt-Universität zu Berlin Die Sicherungsverwahrung im Sinne von §§ 66 ff. StGB galt als eine der schwersten und umstrittensten Rechtseingriffe der deutschen Rechtsordnung. Es handelt sich gemäß § 61 StGB um eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung. Sie wird neben einer Freiheitsstrafe, die stets zuerst verbüßt wird, angeordnet. Im Gegensatz zu der normalen Straftat knüpft sie lediglich an die Gefährlichkeit des Straftäters für die Allgemeinheit an. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung muss auf eine besonders schwere Straftat (sog. Anlasstat) zurückzuführen sein. „Wegschliessen- und zwar für immer!“ forderte 2001 der ehemalige Bundeskanzler Gerhard...