Kategorie: Verfahrensstadium

Anforderungen an den Haftgrund der „Fluchtgefahr“ in München und Berlin

Die Anordnung der Untersuchungshaft ist nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 112 ff. StPO zulässig. Als Verteidiger eines inhaftierten Beschuldigten wird man regelmäßig auf die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der U-Haft hinwirken, beispielsweise durch eine Haftbeschwerde oder einen Haftprüfungsantrag. Nicht selten wird ein überprüfter Haftbefehl dann auch aufgehoben, weil die Voraussetzungen der U-Haft nicht (mehr) gegeben sind. Sowohl das Oberlandesgericht (OLG) München als auch das Kammergericht in Berlin haben mit ihren lesenswerten Beschlüssen vom 20. Mai bzw. 24. Mai 2016 die jeweils angegriffenen Haftbefehle aufgehoben, weil nach Ansicht der Gerichte der Haftgrund der „Fluchtgefahr“ im jeweiligen Fall nicht vorlag....

Die Begehung einer Straftat in Mittäterschaft ist kein pauschaler Strafschärfungsgrund

Die Strafzumessung ist eine der wichtigsten Aufgaben eines Gerichts. Detaillierte Regelungen gibt es kaum. Das veranlasst Gerichte immer wieder dazu, sich bei der Strafzumessung von Motiven leiten zu lassen, die nicht oder nicht in der Gewichtung berücksichtigt werden dürfen. Erst kürzlich hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer fehlerhaften Strafzumessung zu befassen, in der mittäterschaftliches Handeln strafschärfend bewertet wurde. In dem zu verhandelnden Fall hatte der Angeklagte eingeräumt, Kokain aus den Niederlanden nach Deutschland eingeführt zu haben. In der Hauptverhandlung behauptete er dabei erstmals, das Kokain zusammen mit einem Mitangeklagten erworben und über die Grenze gebracht zu haben, um es...

Keine Verwertung von Erkenntnissen aus einer Telefonüberwachung im Bußgeldverfahren

Überwachungsmaßnahmen greifen tiefgehend in die Grundrechte des Beschuldigten ein und dürfen deshalb nur unter bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden. Die Telekommunikationsüberwachung, um die es in diesem Beitrag geht, darf unter anderem nur erfolgen, wenn der Verdacht besteht, dass der Beschuldigte eine in § 100a StPO genannte Straftat, eine sog. Katalogtat, begangen hat. Doch was passiert mit den gewonnen Daten, wenn sich der Tatverdacht nicht bestätigt hat, die Erkenntnisse aber auf andere Rechtsverstöße hindeuten? In seinem aktuellen Beschluss vom 14.12.2015 – 2 Ss (OWi) 294/15 hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg mit dieser Frage hinsichtlich der weiteren Verwendung im Rahmen eines Bußgeldverfahrens...

Beck, Böhmermann und die Entscheidung der Justiz

Heute hat die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung von ZDF-Moderator Jan Böhmermann erteilt. Auslöser für die Strafverfolgung wegen Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten gem. § 103 StGB war ein Schmähgedicht Böhmermanns, durch das sich der türkische Präsident Erdogan in seiner Ehre verletzt sieht. Voraussetzung für die Strafverfolgung ist in diesem Fall gem. § 104a StGB eine entsprechende Ermächtigung seitens der Bundesregierung. Seit mehreren Tagen werden in der Öffentlichkeit heftige Debatten über die Strafverfolgung Böhmermanns ausgetragen. Denn zweifellos handelt es sich bei dem Fall Böhmermann nicht nur um eine strafrechtliche, sondern ebenso um eine nicht unerhebliche politische Angelegenheit. Die...

Gimmlitztal-Mord wird erneut verhandelt

Der sogenannte Gimmlitztal-Mord muss ein zweites Mal vor dem Landgericht Dresden verhandelt werden. Ein ehemaliger Beamter des sächsischen LKA hatte nach den Feststellungen des Landgerichts im Gimmlitztal einen anderen Mann auf dessen Wunsch hin getötet und zerstückelt. Der Getötete habe den ernsthaften Wunsch geäußert, geschlachtet und verspeist zu werden. Der LKA-Beamte versprach sich von der Tötung sexuellen Lustgewinn und wurde deshalb wegen Mordes verurteilt. Jedoch verhängte das LG unter Anwendung der sogenannten „Rechtsfolgenlösung“ statt einer lebenslangen Freiheitsstrafe lediglich eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten. Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft hatten Revision gegen das Urteil eingelegt. Wegen Lücken...

Kann die Rechtskraft eines Urteils durchbrochen werden?

Ein Gastbeitrag von Rebekka Franke, Studentin an der Freien Universität Berlin In dem Beschluss vom 15.12.2015 – 17 Qs 71/15 beschäftigt sich das Landgericht Stuttgart mit der Frage, ob ein Sachverständiger als neues Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO einen Wiederaufnahmegrund darstellen kann. Vorausgegangen war ein Verfahren des Amtsgerichts Stuttgart, in welchem der Verurteilte wegen Erschleichen von Leistungen unter anderem zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Monaten und einer Woche bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilte wurde. Das Urteil ist rechtskräftig geworden. In der Folge stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Zur Begründung des Antrags legte er...