Den eigenen Strafverteidiger angezeigt: Wechsel des Pflichtverteidigers
Nach den abgeschlossenen Strafrechtsvorlesungen im Studium begegnet einem das Strafprozessrecht, welches in der Praxis eines Strafrechtsanwalts von hoher Relevanz ist. Die Strafprozessordnung (StPO) regelt die Vorschriften für die Durchführung eines Strafverfahrens und enthält Bestimmungen für das Hauptverfahren, aber auch bereits für das Ermittlungsverfahren.
Auch zur Pflichtverteidigung im Strafverfahren enthält die StPO Vorschriften. Ein Pflichtverteidiger wird einem Beschuldigten in den Fällen der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO beigeordnet, womit die Verfahrensrechte des Beschuldigten gewahrt werden sollen. Zu den Fällen der notwendigen Verteidigung gem. § 140 StPO zählen unter anderem, die Anschuldigung eines Verbrechens (Nr. 2) oder wenn das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann (Nr. 3).
Wann ein Wechsel des Pflichtverteidigers möglich ist, musste der Bundesgerichtshof (5 StR 429/22) in seinem Beschluss vom 5. Dezember 2022 beantworten. Gegen den Angeklagten im hiesigen Fall ist ein Revisionsverfahren wegen lebensgefährdenden und erniedrigenden Einschleusens von Ausländern anhängig. Nach Durchführung der Hauptverhandlung und Urteilsverkündung beantragte der Angeklagte die Beiordnung eines neuen Verteidigers, da er mit der Arbeit seines derzeitigen Anwalts nicht zufrieden sei und dieser außerdem gekündigt habe. Nachdem dieser Antrag abgelehnt wurde, führte der Angeklagte aus, dass er gegen seinen bisherigen Pflichtverteidiger Strafanzeige gestellt habe und es daher notwendig sei, ihm einen neuen Rechtsanwalt beizuordnen.
In seinem Beschluss stellt der Bundesgerichtshof fest, dass dieser Antrag unbegründet ist, da die Voraussetzungen des § 143a Abs. 3 und Abs. 2 StPO, der den Verteidigerwechsel regelt, nicht vorliegen. Demnach liegt vorliegend insbesondere keine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum bisherigen Pflichtverteidiger vor. Dass der Angeklagte Anzeige gegen ihn erstattet hat, reicht demnach nicht aus, da nicht klar ist, aus welchem Grund das geschah. Auch sonst sei kein Grund ersichtlich, der einer angemessenen Verteidigung entgegensteht und einen Wechsel des Pflichtverteidigers gebietet.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg