Der Ankauf von gestohlenen Zigaretten – wann beginnt der Versuch bei der Hehlerei?
Eine Frage, mit der sich das Kammergericht in Berlin im Rahmen seiner Entscheidung vom 5. März 2020 (Az. 161 Ss 190/19 (41/19)) zu befassen hatte.
Hintergrund war der folgende Fall: Der Angeklagte hatte sich gegenüber den Tätern eines Einbruchsdiebstahls dazu bereit erklärt, Zigaretten aus deren Einbruchsdiebstahlstaten anzukaufen, um sie weiterzuverkaufen. Im Einzelnen kam es u.a. zu den folgenden Taten:
„Am Morgen des 16. Juni 2016 bot der gesondert Verurteilte B. [= einer der Täter der Einbruchsdiebstahlstaten] dem Angeklagten zuvor aus dem Geschäft des Geschädigten J. in der F… chaussee in Berlin entwendete Tabakwaren im Wert von bis zu etwa 18.000 Euro zum Kauf an. Der Angeklagte erklärte sich in Kenntnis der Herkunft der Ware aus einer Straftat grundsätzlich zum Ankauf bereit und bestellte den gesondert Verfolgten B. zum Abschluss des Geschäfts mit den Worten „Kommst du hier in B… Straße, ich bin da.“ telefonisch zu sich. Der gesondert Verurteilte B. fragte nach „Wo letzte Mal war?“, was der Angeklagte mit „Gestern warst du da.“ bestätigte. Ob es in der Folge zum Ankauf der entwendeten Tabakwaren oder jedenfalls eines Teiles von diesen kam, konnte die Kammer nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen. Dementsprechend konnte die Kammer auch nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen, ob es zu dem vom Angeklagten beabsichtigten, gewinnbringenden Weiterverkauf der gestohlenen Tabakwaren in einem seiner Geschäfte kam.
Am Nachmittag des 2. August 2016 bot der gesondert Verfolgte B. dem Angeklagten zuvor aus dem „… Shop“ in der S…Allee in Berlin entwendete Tabakwaren im Umfang von etwa achtzig bis einhundert Stangen Zigaretten zu einem nicht bekannten Preis zum Kauf an. Der Angeklagte bestellte den gesondert Verurteilten B., der angab, dass er die Ware noch nicht gezählt habe, dies aber beim Angeklagten noch tun wolle (wörtlich sagte B. zu den angebotenen Tabakwaren „aber habe nicht gezählt, da muss noch zählen da, ja? Nichts, nicht viel achtzig oder so bis hundert.“) in die „B…“. Ob es in der Folge zum Ankauf der entwendeten Tabakwaren im Umfang von etwa achtzig bis einhundert Stangen Zigaretten kam, konnte die Kammer nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen. Dementsprechend konnte die Kammer auch nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen, ob es zu dem vom Angeklagten beabsichtigten, gewinnbringenden Weiterverkauf der gestohlenen Tabakwaren in einem seiner Geschäfte kam.“
Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen hob das Kammergericht auf und führte dazu aus, dass der Angeklagte weder durch das Gespräch mit dem gesondert Verurteilten B. am 16. Juni 2016, noch durch das Telefonat am 2. August 2016 zu einer Hehlerei in der Tatbestandsvariante des Ankaufens unmittelbar angesetzt habe.
Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung strafloser Vorbereitungshandlungen vom strafbaren Versuch liege ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Gefährdungshandlungen vor, die nach der Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los” überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht. Dabei sei im Einzelfall bei der Abgrenzung in wertender Betrachtung auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen.
Da die Vollendung der Hehlereivarianten des Sich-Verschaffens und Ankaufens voraussetze, dass der Erwerber eine vom Vortäter unabhängige (Mit-)Verfügungsgewalt erlangt hat, die ihn in die Lage versetzt, selbstständig über die Sache zu verfügen, erfordere in diesem Sinne auch der Versuchsbeginn ein unmittelbares Ansetzen zur Übernahme einer solchen Verfügungsmacht.
Auch der Eintritt in Kaufverhandlungen könne diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllen. Da es jedoch auf das unmittelbare Ansetzen zur Übernahme eigener Verfügungsgewalt ankommt, können reine Absprachen erst dann als Versuch eingestuft werden, wenn die Übergabe der Sache, also die Übertragung der Verfügungsgewalt, unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen erfolgen kann und soll. Dies bedeutet, dass das Aushandeln der Bedingungen zu verbindlichen Vereinbarungen über Ankauf und Abnahme geführt haben und dem Übertragungsakt unmittelbar vorgelagert sein muss. Die bloße Vereinbarung mit dem Vortäter, die Sache abnehmen zu wollen, reicht für einen Versuch des Ankaufens ebenso wenig aus, wie gescheiterte Vertragsverhandlungen. Um eine unmittelbare Einleitung des Übertragungsakts annehmen zu können, müssen die Verhandlungen zumindest eine Einigung über Zeit und Ort der Lieferung erbracht haben.
Daran fehle es hier. Hinsichtlich der Tat am 16. Juni 2016 lasse es sich den Feststellungen nicht entnehmen, dass der Angeklagte überhaupt in konkrete Verhandlungen eingetreten ist, weil weder über den Preis, noch die Menge der Zigaretten, noch über die Übergabemodalitäten gesprochen wurde. Infolgedessen tragen die Feststellungen erst recht nicht die Annahme, dass sich der Angeklagte und der gesondert Verfolgte B. hinsichtlich des Ankaufes handelseinig geworden sind und eine unmittelbare Übergabe des Diebesgutes erfolgen sollte.
Dasselbe gelte für die Tat am 2. August 2016.: Hier habe das Landgericht bereits selbst festgestellt, dass der Ankauf am Tattag lediglich „telefonisch vorbereitet“ wurde. Rückschlüsse auf konkrete Verhandlungen zu Zahlungs- oder Übergabemodalitäten lassen sich den Feststellungen zur Kommunikation des Angeklagten mit dem gesondert Verurteilten B. nicht entnehmen. Vielmehr folge aus den festgestellten Äußerungen des gesondert Verfolgten, dass er sich noch nicht einmal einen Überblick über die Menge der gestohlenen Zigaretten verschafft hatte.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg