Der Begriff des Unglücksfalls im Rahmen der unterlassenen Hilfeleistung
§ 323c normiert die Strafbarkeit der unterlassenen Hilfeleistung. Sie ist in der juristischen Ausbildung von untergeordneter Relevanz, wird jedoch gerne am Rande von Strafrechtsklausuren eingebaut und deshalb häufig von den Studenten übersehen.
Der Tatbestand der unerlassenen Hilfeleistung lautet:
Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzungen anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Definition: Ein Unglücksfall ist ein plötzlich eintretendes Ereignis, in dem die konkrete Gefahr eines erheblichen Schadens für ein Individualrechtsgut besteht.
Gefährdete Güter sind vor allem Leib, Leben und Freiheit einschließlich der sexuellen Selbstbestimmung. Auch eine Sachgefahr ist ausreichend, wird allerdings durch das Bagatellprinzip eingeschränkt.
Umstritten ist die Behandlung von Selbsttötungsversuchen. Die Rechtsprechung bewertet jede durch einen Selbsttötungsversuch verursachte Gefahrenlage als Unglücksfall. Um die straflose aktive Teilnahme am freiverantwortlichen Selbstmord nicht auszuhebeln, soll § 323c StGB aber in keinem Fall zu Hilfeleistungen gegen den erklärten Willen des Betroffenen zwingen. Die Gegenansicht der Literatur sieht bei dem freiverantwortlich unternommenen Suizidversuch bereits den objektiven Tatbestand nicht als erfüllt an.
Beispiele für Unglücksfälle: Das Zusammenbrechen eines Betrunkenen auf verkehrsbelebter Straße, die Vergewaltigung einer Frau, das Niederschlagen und Verlassen eines Betrunkenen oder des Opfers einer gefährlichen Körperverletzung. Eine Krankheit als solche genügt hingegen nicht.