Der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr in der Fallgruppe des verkehrsfeindlichen Inneneingriffs

Die Straßenverkehrsdelikte gemäß § 315 ff. Strafgesetzbuch (StGB) beschäftigen sowohl Praktiker als auch Studierende regelmäßig. Insbesondere der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr in der Fallgruppe des verkehrsfeindlichen Inneneingriffs ist ein Klausurklassiker. 

Wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. 

Grundsätzlich erfasst die Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB Eingriffe in den Straßenverkehr von innen. Sofern jedoch ein Fahrzeugführer die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt, während er sich im Straßenverkehr befindet, kann auch eine Strafbarkeit wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB in Betracht kommen. 

Der klassische Fall des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt die Fallkonstellation dar, in der das Fahrzeug nicht mehr als Fortbewegungsmittel dient. Das Fahrzeug wird zweckentfremdet zur Nötigung oder Verletzung von anderen Verkehrsteilnehmer eingesetzt. Auch der Beifahrer kommt als tauglicher Täter eines verkehrsfremden Inneneingriffs in Betracht. Als strafbare Handlung ist an einen Eingriff des Beifahrers in den Lenkvorgang zu denken. 

Ob der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr auch in der Fallgruppe des verkehrsfeindlichen Inneneingriffs in einer Mittäterschaft begangen werden kann, war Gegenstand des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 15. August 2023 (4 StR 227/23). 

In dem, der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalt hat der Angeklagte und der Geschädigte im Verlauf des Tatabends im Rahmen der zwischen ihnen bestehenden Streitigkeiten massive Beschimpfungen ausgetauscht. Unter anderem versandte der Angeklagte eine Sprachnachricht an den Geschädigten mit dem Wortlaut: „Ich weiß, dass du nicht mehr leben willst, dabei werde ich dir helfen“. Der Angeklagte und sein Bruder fuhren mit dem Fahrzeug zu dem mit dem Geschädigten vereinbarten Treffpunkt. Dabei befand sich der Angeklagte auf der Rücksitzbank des Fahrzeugs und dirigierte seinem Bruder, der das Fahrzeug führte, zu dem Aufenthaltsort des Geschädigten. In Ausführung des zuvor an diesem Abend mit dem Angeklagten gefassten Tatplans, den Geschädigten zu töten, beschleunigte der Bruder des Angeklagten, das Fahrzeug, als sie den Geschädigten auf dem Bürgersteig vor dem Gebäude entdeckten. Der Fahrzeugführer fuhr mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 bis 25 km/h in der Absicht auf den Geschädigten zu, um diesen mit dem Fahrzeug zu erfassen bzw. gegen die nahegelegene Hauswand zu quetschen. 

Das Landgericht Braunschweig hatte das Geschehen als versuchten Totschlag in Tateinheit mit schwerem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gewertet. 

Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des Landgerichts und führte im Besonderen aus, dass ein verkehrsfeindlicher Inneneingriff auch durch einen Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs in Mittäterschaft begangen werden kann. § 315b Abs. 1 StGB stelle kein eigenhändiges Delikt dar, bei dem der Täter nur durch ein eigenes Handeln persönlich den Tatbestand erfüllen könne. 

Kennzeichnend für ein eigenhändiges Delikt sei, dass die Täterschaft an eine bestimmte Ausführungshandlung gebunden sei, sodass das maßgebliche Unrecht in einem eigenen verwerflichen Tun liege und nicht in erster Linie aus der Gefährdung oder Verletzung eines Rechtsguts hergeleitet werde. Ob dies der Fall ist, sei mit Rücksicht auf die Fassung des gesetzlichen Tatbestands sowie mit Blick auf den Zusammenhang der einschlägigen Gesetzesbestimmungen und die Entstehungsgeschichte zu beurteilen. Gemessen hieran setzte der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB auch in der Fallgruppe des verkehrsfeindlichen Inneneingriffs kein eigenhändiges Führen eines Kraftfahrzeugs voraus. Bereits nach dem Wortlaut des § 315b Abs. 1 StGB könne die Sicherheit des Straßenverkehrs von jedermann beeinträchtigt werden. Die Tathandlungen der Nummern 1 bis 3 des § 315b knüpfen nicht an ein tatbestandlich umschriebenes Verhalten an, das nur eigenhändig verwirklicht werden könne. 

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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