Der Versuchsbeginn beim Wohnungseinbruchdiebstahl
Der Versuch einer Straftat taucht in strafrechtlichen Klausuren sowie in der Praxis freilich immer wieder auf. Dabei ergründet insbesondere die Abgrenzung der Versuchsstrafbarkeit zur Vorbereitungshandlung immer wieder Probleme.
Was genau ist überhaupt unter dem Versuch einer Straftat zu verstehen? Gemäß § 22 Strafgesetzbuch (StGB) versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
Die Problematik des Bestimmens dieses Zeitpunkts, wann genau man zu einer Tat unmittelbar ansetzt, wurde vom Bundesgerichtshof in diversen Urteilen veranschaulicht. Demzufolge muss der Täter aus eigener subjektiver Sicht die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten haben, so dass die eigene Handlung ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in den Taterfolg mündet, das Rechtsgut mithin bereits konkret gefährdet erscheint.
Wie sieht das indes bei Qualifikationstatbeständen oder Tatbeständen mit Regelbeispielen aus? In diesen Fällen ist beim Versuchsbeginn maßgeblich, ob das Verhalten des Täters nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenschritte zur Verwirklichung des Grunddelikts führen soll.
Hierbei kann genügen, dass er im Begriff ist, ein qualifiziertes Merkmal oder ein Regelbeispiel zu verwirklichen. Relevant ist, ob das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters schon dadurch konkret gefährdet wird, weil sein Handeln nach seinem Tatplan in die Tatbestandsverwirklichung münden soll, ohne dass es eines neuen Willensimpulses bedarf.
In seinem Beschluss vom 19. Mai 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 28/21) mit genau dieser Problematik befassen. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Fall ging es um den Versuchsbeginn beim Wohnungseinbruchdiebstahl.
Im entsprechenden Sachverhalt warf der Angeklagte mit einem Stein ein Loch in eine Glasscheibe eines Wintergartens, um über diesen in die anliegenden Wohnräume zu gelangen und diese nach Wertgegenständen zu durchsuchen.
Daraufhin schalteten Hausbewohner, die durch den lauten Knall geweckt wurden, das Licht im Treppenhaus an. Hierdurch wurde das ganze Haus erleuchtet. Im Anschluss entfernte sich der Angeklagte, um nicht entdeckt zu werden.
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Handlungen des Täters zur Verwirklichung seines Plans zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden müssen. Es hängt von der Vorstellung des Täters über das „unmittelbare Einmünden“ seines Verhaltens in die Erfolgsverwirklichung ab, ob er zu der in diesem Sinne „entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet.
Es spricht grundsätzlich gegen ein Überschreiten der Schwelle zum Versuch, wenn es zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges noch eines neuen Willensimpulses bedarf. Für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ist ein wesentliches Kriterium, inwieweit das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters konkret gefährdet ist.
Das ist beim Wohnungseinbruchdiebstahl regelmäßig der Fall, wenn der Täter beim Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB beabsichtigt, in direktem Anschluss daran in die Wohnung einzudringen und daraus Gegenstände zu entwenden. Er setzt dann bereits dadurch nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar an.
Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte beim Einschlagen des Fensters die Vorstellung, sich in unmittelbarem Anschluss daran in das Haus zu begeben, es nach Wertgegenständen zu durchsuchen und diese zu entwenden, ohne dass es insofern eines weiteren Willensimpulses bedurfte. Mithin war das geschützte Rechtsgut aus seiner Sicht schon mit dem Beginn des Einbrechens konkret gefährdet.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger in Berlin-Kreuzberg