Die glühende Zigarette als gefährliches Werkzeug gemäß § 224 Absatz 1 Nr. 2 StGB
Der Begriff des gefährlichen Werkzeugs ist so streitumrankt wie wohl kaum ein anderer Begriff im besonderen Teil des Strafgesetzbuchs. Aufzufinden ist er in § 224 Absatz 1 Nr. 2 StGB bezüglich der Körperverletzung, jedoch auch in § 244 Absatz 1 Nr. 1a StGB und in § 250 Absatz 1 Nr. 1a StGB im Rahmen der Diebstahls- und Raubdelikte. Angesichts der Häufigkeit entsprechender Straftaten hat die Frage, wann ein bestimmter Gegenstand ein gefährliches Werkzeug darstellt, erhebliche Praxisrelevanz. Die Folge hiervon ist eine stark ausdifferenzierte Einzelfallrechtsprechung, welche die Werkzeugqualität einzelner Gegenstände zum Thema hat.
Der heutige Beitrag befasst sich mit einem BGH-Urteil (4 StR 245/01) welches sich in den Kanon der genannten Rechtsprechung einreiht. Der Bundesgerichtshof setzte sich in dem entsprechenden Urteil vom 27. September 2001 damit auseinander, wann eine glühende Zigarette, welche auf der Haut eines Opfers ausgedrückt wird, ein gefährliches Werkzeug im Sinne einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Absatz 1 Nr. 2 StGB darstellt.
In ständiger Rechtsprechung definiert der BGH das gefährliche Werkzeug gemäß § 224 Absatz 1 Nr. 2 StGB wie folgt: Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Absatz 1 Nr. 2 StGB ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall dazu geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (vgl. BGH NStZ 1999, 616).
Der Angeklagte drückte dem Geschädigten eine Zigarette auf der Brust oder dem Arm aus. Der Geschädigte erlitt dabei heftige Schmerzen und behielt eine Brandwunde zurück. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten infolgedessen wegen gefährlicher Körperverletzung. Hiergegen wandten sich der Beschwerdeführer und der Generalbundesanwalt.
Gestützt wurden die Einwände gegen die Verurteilung des Angeklagten unter anderem auf eine Literaturauffassung, welche angesichts einer Verschärfung der Strafandrohung des § 224 Absatz 1 StGB durch das 6. StrRG höhere Anforderungen an das Vorliegen eines gefährlichen Werkzeugs stellen möchte (Rengier, Strafrecht BT II, 3 Aufl., § 14 Rdn. 7) und auf eine Entscheidung des OLG Köln (StV 1994, 244, 246) welches ausführte, dass es nicht nahe liege, dass wenn mit Zigarettenglut auf der Wade des Opfers eine Brandverletzung herbeigeführt werde, dies geeignet sei, erhebliche Verletzungen hervorzurufen.
Dem schloss sich der BGH nicht an. Gegen eine einschränkende Auslegung des § 224 Absatz 1 StGB im Zuge der erhöhten Strafandrohung spricht, dass der Gesetzgeber bei der Fassung des § 224 Absatz 1 Nr. 2 StGB abweichend von dem Gesetzesentwurf bewusst auf die zunächst vorgesehene einschränkende Bedingung verzichtet hat, dass durch die Tat die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung der verletzten Person vorliegen muss. Dies hätte entgegen dem Anliegen des Gesetzesentwurfes zu einer teilweisen Rücknahme der Strafdrohung geführt. Die Ausführungen des LG Köln widersprächen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der das Zufügen von Brandwunden durch glimmende Zigaretten und das Ausdrücken einer Zigarette auf der Stirn unmittelbar über der Nase ebenso wie das Zufügen von Verletzungen mittels eines brennenden Feuerzeuges jeweils ohne weiteres als gefährliche Körperverletzung gewertet hat.
Der BGH führte aus, dass für die Beurteilung der Werkzeugqualität des Gegenstandes gemäß § 224 Absatz 1 Nr. 2 StGB nicht (allein) die eingetretene Verletzungsfolge, sondern die potenzielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung des Werkzeugs maßgebend ist. Diese potenzielle Gefährlichkeit ist, wenn eine Zigarette – wie hier – auf der Haut des Tatopfers ausgedrückt wird, schon im Hinblick auf die nicht sicher absehbaren Folgen gegeben.
Mit seiner Entscheidung stellt der BGH zwar dogmatisch konsequent auf die potenzielle Gefährlichkeit des Ausdrückens der Zigarette ab, problematisch wirkt jedoch die pauschale Annahme, die potenzielle Gefährlichkeit sei in wie vorliegend gelagerten Fällen immer gegeben. Diese unterstellt der Gerichtshof, ohne konkrete Ausführungen dazu zu machen, welche Folgen beim Ausdrücken der Zigarette eintreten können. Angeführt wird allein, dass die Tatfolgen nicht sicher absehbar seien. Es können jedoch auch ausschließlich geringfügige Verletzungsfolgen nicht absehbar sein. Somit liegt die Bewertung der auf der Haut ausgedrückten Zigarette als gefährliches Werkzeug auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BGHs zu § 224 Absatz 1 Nr. 2 StGB. Die Unterstellung, eine Zigarette sei regelmäßig ein gefährliches Werkzeug, ist jedoch zumindest fraglich.