Die Schuldfähigkeit – Schizophrenie
Sofern jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat, ordnet das Gericht gemäß § 63 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Das Gericht darf eine solche Anordnung auch treffen, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustands derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
In seinem Beschluss vom 25. August 2020 (2 StR 263/20) musste sich der Bundesgerichtshof mit dem Zusammenhang zwischen einer die Schuldunfähigkeit begründeten Erkrankung und der festgestellten Tat äußern.
Im hiesigen Fall hatte der Angeklagte seiner Mutter mit einer Gartenhake oder einem Beil einen Schlag gegen den Kopf versetzt und als Tatmotiv angegeben, dass seine Mutter ihm „seit 15 Jahren jeden Tag auf den Sack“ gegangen war. Der Tat ist ein minutenlanges Anstarren seitens des Angeklagten vorausgegangen, die seinem Unmut über die Entfernung des von ihm zuvor angebrachten Sichtschutzes im Garten folgte.
Nach den Feststellungen des Landgerichts habe der Angeklagte zur Tatzeit unter paranoider Schizophrenie gelitten und soll deshalb schuldunfähig gewesen sein, da in der Vergangenheit bei dem Angeklagten eine paranoide Schizophrenie mit sich abzeichnender Residualsymptomatik diagnostiziert worden war. Aus diesem Grund hatte das Landgericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Der Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass diese Feststellungen des Landgerichts fehlerhaft waren, da nicht hinreichend dargelegt worden war, dass der Angeklagte bei der Begehung der Tat sicher schuldunfähig war. Allein die Diagnose einer schizophrenen Psychose führe für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit. Erforderlich sei vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Hierbei ist die Beurteilungsgrundlage das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass der Tat, die Motivlage des Angeklagten und sein Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können.
Im hiesigen Fall verfehle das Landgericht nach Auffassung des Bundesgerichtshofes die erforderliche Prüfung, ob das Verhalten des Angeklagten in der Tatsituation noch normalpsychologisch zu erklären sein könnte. Sofern, wie vorliegend, ein äußerlich erkennbarer Tatanlass gegeben ist, der zur Zurücksetzung und Abwertung des Täters führt, und darüber hinaus ein „chronischer Konflikt“ mit dem Opfer, so stelle sich laut Bundesgerichtshof die Frage, ob der sich sodann entladene Gewaltausbruch nicht auch Folge dieser besonderen Tatkonstellation gewesen sein könnte, ohne dass hierfür maßgeblich die psychotische Grunderkrankung verantwortlich gewesen ist.
Auf die Revision des Angeklagten wurde das Urteil des Landgerichts aufgehoben. Die Sache wurde zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin-Kreuzberg