Die tätige Reue beim erpresserischen Menschenraub
Der erpresserische Menschenraub gemäß § 239a Abs. 1 StGB nimmt in Uniklausuren und im ersten Staatsexamen zwar meist eine eher untergeordnete Rolle ein, wird aber im zweiten Staatsexamen umso häufiger geprüft. Auch in der Praxis ist insbesondere die Abgrenzung des erpresserischen Menschenraubs zum einfachen Raub und der Erpressung angesichts der hohen Strafandrohung von nicht unter fünf Jahren von Bedeutung.
§ 239a StGB lautet:
„Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.“
Die Strafe kann jedoch gemäß § 239a Abs. 4 StGB gemildert werden, wenn der Täter tätige Reue zeigt.
Bei einem erpresserischen Menschenraub liegt die tätige Reue gemäß § 239a Abs. 4 S. 1 StGB dann vor, wenn der Täter das Opfer in seinen Lebensbereich zurückgelangen lässt und zudem auf die erstrebte Leistung verzichtet, wobei er hierfür von der erhobenen Forderung vollständig Abstand nehmen muss. Freiwillig muss er dabei aber nicht handeln, auf die Motive des Täters kommt es folglich nicht an.
In seinem Beschluss vom 24. März 2020 (6 StR 18/20) musste sich der Bundesgerichtshof mit dem Begriff der tätigen Reue näher auseinandersetzen.
In dem Fall hatte der später Geschädigte von dem einen Angeklagten 95 g Haschisch gekauft. Einige Tage später hatten die zwei Angeklagten den Geschädigten dann unter einem Vorwand auf die Rückbank eines Autos gelockt und ihn während der darauffolgenden zweistündigen Fahrt unter der Drohung, ihn anderenfalls umzubringen, dazu aufgefordert, die Drogenschulden zu begleichen. Sie nahmen ihm sein Handy weg, schlugen ihm mehrfach ins Gesicht und drohten ihm zudem zusätzliche Verletzungen mittels eines durch ein Feuerzeug erhitzen Radkreuzes aus Metall an. Der Geschädigte schlug daher vor, zu seinen in der Nähe wohnenden Eltern zu fahren und diese um Geld zu bitten. Vor Ort verlangten die Angeklagten dann unter dem falschen Hinweis, ihr Sohn habe ihnen wertvollen Goldschmuck gestohlen, vergeblich die Zahlung von 2.000 €. Beide verließen dann ohne den Geschädigten die Wohnung und nahmen von der weiteren Durchsetzung der Forderung Abstand.
Dem Bundesgerichtshof zufolge, liegen die Voraussetzungen der tätigen Reue gemäß § 239a Abs. 4 StGB hier vor. Die Angeklagten haben den Geschädigten in seinen Lebensbereich zurückgelangen lassen und zudem auf die erstrebte Leistung verzichtet, also von der erhobenen Forderung vollständig Abstand genommen. Da die Freiwilligkeit für die tätige Reue keine Voraussetzung sei, stehe der Annahme tätiger Reue vorliegend auch nicht entgegen, dass die Angeklagten lediglich in Anbetracht der Erkenntnis fehlender Erfolgsaussicht von dem Geschädigten abgelassen hatten.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin