Die Urkundenqualität von Kunstwerken
Was unter den Begriff der Urkunde im Sinne der Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB fällt, kann weit über das geläufig angenommene unterschriebene Schriftstück hinausgehen. So kann unter anderem ein an einem Kfz befestigtes Kennzeichen oder ein mit einem Preisticket versehener Gegenstand Urkundenqualität haben.
Urkunden im Sinne des § 267 StGB sind verkörperte menschliche Gedankenerklärungen, die geeignet und bestimmt sind, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen und die ihren Aussteller erkennen lassen. Anhand dieses Maßstabes hatte sich der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 19. Mai 2020 (2 StR 398/19) mit einem Kunstwerk und der Frage zu befassen, wann ein solches eine Urkunde darstellt.
Anlass hierzu gab der Angeklagte, welcher ein Gemälde zum Zweck des Verkaufs in eine Ausstellung einliefern ließ. Bei dem vermeintlich von dem russischen Avantgardisten El Lissitzkiy stammenden Werk handelte es sich um eine Fälschung. Dies stellte das Landgericht auch fest. Hierbei äußerte es sich jedoch nicht dazu, ob das Kunstwerk signiert war, sondern gab lediglich an, das Werk werde dem Künstler El Lissitzkiy „zugeschrieben“. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Gebrauchmachens einer unechten Urkunde gemäß § 267 Absatz 1 Var. 3 StGB.
Dies veranlasste den BGH dazu, sich damit auseinanderzusetzten, ob ein Kunstwerk trotz fehlender Signierung eine Urkunde darstellen kann. Dies verneinte der BGH. Fehlt es an einer Signierung eines Werkes, hat dieses nicht die Qualität einer strafrechtlichen Urkunde. Diese erlangt das Kunstwerk erst mit seiner Signierung.
Die Signatur ist wesentlich für die Urkundenqualität eines Kunstwerkes, da ein unsigniertes Werk zwar die Einstellung des Kunstschaffenden zu einer bestimmten Frage zum Ausdruck bringt, eine rechtlich erhebliche Tatsache beweist dieses jedoch nicht. Es lässt ebenfalls seinen Aussteller nicht erkennen. Dies ist selbst dann der Fall, wenn ein unsigniertes Kunstwerk seinem „Stil“ nach einem bestimmten Künstler zuzuordnen ist.
Das vom BGH zitierte Reichsgericht fasst die Bedeutung der Signierung wie folgt zusammen: Die Signierung kann „einzig und allein bezwecken, ein sichtbares Zeichen dafür zu geben, dass das Gemälde von seiner, des Künstlers Hand herrühre, dass er es für vollendet und verkehrsreif gelten lassen wolle, und dass er es als seine Schöpfung gegenüber der Öffentlichkeit anerkennen und vertreten werde. Ebenso erblickt weiterhin die allgemeine Anschauung in dem Namenszug des Künstlers die Gewähr für seine Urheberschaft und die Reife seines Werkes.“ (RGSt 34, 53, 54)
Somit hat die Signatur von Kunstfälschungen wesentliche Bedeutung bei der strafrechtlichen Einordung dieser im Rahmen der Urkundendelikte. Hierbei ist zu beachten, dass die vorliegende Rechtsprechung nicht nur auf eindimensionale Werke wie Gemälde oder Zeichnungen, sondern auch auf plastische oder dreidimensionale Werke anwendbar ist.