Drogenmilieu – Ein minder schwerer Fall des Totschlags
Im § 212 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) heißt es: „Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.“
Jedoch lassen sich dem § 212 Abs. 1 StGB auch verschiedene Strafzumessungsregeln zuordnen, wie der § 213 StGB. Dieser regelt den minder schweren Fall des Totschlags und setzt den Strafrahmen auf eine Freiheitstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren herunter.
Nach den zwei Alternativen des § 213 StGB ist dieser anwendbar, wenn der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und dadurch zur Tat hingerissen worden ist oder gemäß der zweiten Alternative sonst ein minder schwerer Fall vorliegt.
Mit dem § 213 StGB musste sich auch der Bundesgerichtshof (1 StR 462/21) in seinem Beschluss vom 12. Januar 2022 beschäftigen. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt bezog der Angeklagte vom späteren Tatopfer Drogen, um diese dann weiterzuverkaufen. Als er das Geld für die Drogen nicht bezahlen konnte, forderte das Tatopfer den Angeklagten auf, zu seiner Wohnung zu kommen und sperrte die Tür ab.
Anschließend verpasste er dem Angeklagten mehrere Schläge und drückte ihn gegen einen Schrank, sodass dieser kaum noch Luft bekam. Dabei holte der Angeklagte schließlich ein Messer heraus und verpasste dem Tatopfer einen Schnitt in den Halsbereich. Trotzdem verweigerte dieser weiterhin, die Tür aufzusperren.
Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung stach der Angeklagte noch mindestens 6 weitere Male zu. Die Stichverletzungen führten zum Tod des Tatopfers. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten unter anderem wegen Totschlags. Die Revision des Angeklagten erzielte einen Teilerfolg.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes wurde ein falscher Maßstab angelegt und wichtige Umstände außer Acht gelassen, die auf einen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 1 StGB hindeuten könnten.
Ohne eigene Schuld im Sinne des § 213 Alt. 1 StGB handelt, wenn es für die Provokation des Tatopfers keine genügende Veranlassung gegeben hat und der Täter zur Verschärfung der Situation selbst nicht beigetragen hat.
Bei der Prüfung des § 213 Alt. 1 StGB ist eine Gesamtwürdigung notwendig, wobei sowohl der Konflikt im kriminellen Drogenmilieu, als auch die unmittelbar tatauslösende Situation beachtet werden müssen.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg