Durchsetzung eines vermeintlich bestehenden Anspruchs – entfällt die Bereicherungsabsicht bei einer räuberischen Erpressung?
Häufig genügt ein Blick in den Spamordner des eigenen E-Mail-Postfachs, um mit Vorschlägen für Anlagemöglichkeiten mit horrenden Renditeversprechen überhäuft zu werden. In vielen Fällen stecken hinter solchen Angeboten jedoch „Schneeballsysteme“, welche zur Folge haben, dass die eigene Investition kaum mehr zurückgeholt werden kann.
Diese Erfahrung machte auch der Angeklagte im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2019 (1 StR 386/19) und ließ sich einen besonders kreativen Weg einfallen, um wieder an sein Geld zu gelangen. Der Angeklagte versuchte mittels räuberischer Erpressung gemäß § 253, 255 StGB den ihm, ihm nach seiner Überzeugung zustehenden Anspruch auf Rückzahlung der eigenen Investition durchzusetzen.
Ein Bekannter des Angeklagten erläuterte diesem ein Geschäftsmodell, mit welchem dieser überdurchschnittlich hohen Renditen erzielen könne und welches zu „99,9 Prozent sicher“ sei. Daraufhin erwarb der Angeklagte an der das Geschäftsmodell betreibenden Firma Anteile zu einem Preis von 3.500 Euro. Das Geld stammte von seinem Vater, der eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes durch Enthaupten einer Tante des Angeklagten verbüßt. Die Firma finanzierte sich nahezu ausschließlich durch die Einlagen der angeworbenen Investoren. Als dem Angeklagten bewusst wurde, dass die investierten 3.500 Euro nicht mehr zurückfließen würden, entschloss er sich, seinen Bekannten auf andere Weise zur „Rückzahlung“ zu bewegen. Hierbei ging der Angeklagte irrig davon aus, einen rechtlich begründbaren Anspruch gegen seinen Bekannten zu haben und forderte diesen auf 3.500 Euro an ihn zu zahlen. Für den Fall der Nichtzahlung drohte der Angeklagte damit, er werde seinem Vater, um dessen Tötungsdelikt der Bekannte wusste, die Adresse des Bekannten mitteilen. Sein Vater werde Leute schicken, die dem Bekannten den Kopf abschlagen oder ihn zumindest ins Krankenhaus bringen. Hieraufhin rief dieser die Polizei.
Das Landgericht sah hierin eine versuchte räuberische Erpressung.
Voraussetzung für eine räuberische Erpressung ist, dass der Täter mit Bereicherungsabsicht handelt. Diese setzt insbesondere voraus, dass der Täter eine rechtswidrige Bereicherung anstrebt. Eine unrechtmäßige Bereicherung strebt der Täter dann nicht an, wenn er sich einen Anspruch auf die erstrebte Leistung gegen das Opfer zumisst, der von der Rechtsordnung anerkannt wird und den er demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozess durchsetzen könnte. Hierbei ist allein die Vorstellung des Täters über die materielle Rechtslage maßgebend.
Das Landgericht klärte jedoch nicht die Rechtslage bezüglich der 3.500 Euro, obwohl diese von indizieller Bedeutung für das Vorstellungsbild des Angeklagten bezüglich einer Forderung gegen seinen Bekannten ist und schloss letztendlich unzureichend begründet, dass der Angeklagte eine aus seiner Sicht unberechtigte Geldforderung erhob.
Der Bundesgerichtshof macht vorliegend deutlich, dass die zivilrechtliche Rechtslage insbesondere dann der eingehenden Prüfung durch das Strafgericht bedarf, wenn der Täter mittels einer räuberischen Erpressung die Durchsetzung eigener Ansprüche bezweckt. Die Durchsetzung eigener Ansprüche ist geeignet, die Rechtswidrigkeit der durch die räuberische Erpressung gemäß § 253, 255 StGB erstrebten Bereicherung entfallen zu lassen.
Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht Berlin