Ehrenkodex als niedriger Beweggrund
Damit aus einem Totschlag ein Mord im Sinne des § 211 StGB wird, muss ein Mordmerkmal vorliegen. Diese kann man in drei Gruppen unterteilen: Mordmerkmale mit einem verwerflichen Motiv, die mit einer verwerflichen Tatausführung und zuletzt welche, die einen verwerflichen Zweck verfolgen.
Eines dieser Mordmerkmale sind die sonstigen niedrigen Beweggründe, die zur ersten Gruppe gehören. Unter diesen versteht man Motive, die nach rechtlich-moralischer Wertung auf tiefster Stufe stehen und als besonders verachtenswert anzusehen sind.
Beispiele könnten die Eifersucht oder menschenverachtende Ansichten sein.
In seinem Beschluss vom 20. Mai 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 142/20) damit auseinandersetzen, ob auch das Handeln auf Grund eines Ehrenkodex einen niedrigen Beweggrund darstellt.
In dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten. Im Laufe dessen kamen die Freunde des Angeklagten dazu, da sie ihm durch einen Ehrenkodex ihre Unterstützung zugesagt hatten.
Die Freundesgruppe tritt und schlug den am Boden liegenden Geschädigten. Später versetzte der Angeklagte dem Geschädigten mehrere Messerstiche in verschiedene Teile seines Körpers. Der Rest der Gruppe bemerkte das und führte ihre Gewalthandlung weiter aus.
Der Geschädigte überlebte nur knapp, weshalb es um einen versuchten Mord geht.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes liegt hier das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe vor. Die billigend in Kauf genommene Tötung eines Menschen auf Grund eines Ehrenkodex, ist keine verständliche Reaktion. Vielmehr drückt es die verachtende Art der Täter und die Geringschätzung des Lebens vom Opfer aus.
Der Bundesgerichtshof bezeichnet das Missverhältnis zwischen dem Anlass und der Tat als sittlich besonders verwerflich und hob die Verurteilung wegen lediglich versuchtem Totschlag auf.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg