Ein skurriler Besuch beim Arbeitsamt
Allein ein bevorstehender Termin beim Arbeitsamt kann schon mit einem unwohlen Gefühl verbunden sein. Doch mit welch kuriosem Geschehen sich der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) vor kurzer Zeit beschäftigen musste, geht erheblich über dieses normale Maß des Unwohlseins hinaus. In dem Fall ging es um einen Sachbearbeiter der Bundesagentur für Arbeit, der als Stellenvermittler für die unter 25-jährigen zuständig war und anscheinend Gefallen daran gefunden hatte, während mancher Gespräche seinen Penis zu entblößen, um sich durch die Reaktion der Betroffenen sexuell zu erregen.
Gegenstand der Entscheidung war unter anderem eine Situation in dem Büro des Angeklagten mit einer jungen Frau, die einen Termin bei ihm hatte. Der Angeklagte fragte er sie während des Gesprächs, ob sie einen Freund habe und machte ihr Komplimente. Nachdem er ihr auf seinen Vorschlag hin „komm lass uns küssen“ einen Zungenkuss gab, fragte er sie „ob sie es ihm mit dem Mund machen würde“. Die Frau lehnte dies ab, leistete jedoch in der Hoffnung gehen zu können keine Gegenwehr, als der Angeklagte sein erigiertes Geschlechtsteil entblößte und es ihr in den Mund führte. Nach kurzer Zeit zog er seinen Penis aus ihrem Mund, stellte sich hinter sie und befriedigte sich selbst. Dabei forderte er sie wiederholt dazu auf ihm zuzuschauen. Sie wandte ihren Kopf immer wieder weg, was den Angeklagten jedoch nicht daran hinderte, in seiner Hand zu ejakulieren.
Das Landgericht Siegen hatte in diesem Fall ein strafbares Verhalten des Angeklagten verneint, weil er weder Gewalt angewandt noch mit einer Gefahr für Leib oder Leben gedroht habe. Auch habe sich die Geschädigte nicht in einer schutzlosen Lage befunden und der Angeklagte habe auch nicht mit der Ausnutzung einer Machtposition gedroht. So schied für das Landgericht eine sexuelle Nötigung/Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1 und 2 StGB genau wie einer Nötigung nach § 240 StGB aus. Zudem verneinte es das Vorliegen einer exhibitionistische Handlung nach § 183 StGB, da der Angeklagte sich nicht entblößt habe, um sich durch die Reaktion der Geschädigten zu erregen, sondern weil er sich erhofft hatte, mit ihr den Oralverkehr ausüben zu können. Das weitere Geschehen, in dem er seinen Penis immer wieder präsentierte und sich dabei befriedigte, wertete das Landgericht hingegen nicht als neuen Tatentschluss. Schließlich habe sich der Angeklagte zunächst zur Durchführung des Sexualverkehrs und nicht zum Zwecke des Lustgewinns durch das Zeigen des Geschlechtsteils entblößt.
Der BGH sah dies jedoch ganz anders und verwies die Sache zurück, da das Landgericht von einem zu engen Begriff der exhibitionistischen Handlung ausgegangen sei. Denn dass der Betroffene sein Geschlechtsteil zu dem Zweck entblößen muss, sexuellen Lustgewinn durch das Vorzeigen des entblößten Gliedes zu erreichen, konnte der BGH weder dem Gesetzeswortlaut noch der Begründung entnehmen. Die tatbestandsmäßige exhibitionistische Handlung des § 183 Abs. 1 StGB sei lediglich dadurch gekennzeichnet, dass einem anderen ohne Einverständnis das entblößte Glied mit dem Ziel des hierdurch bewirkten Lustgewinns gezeigt wird. Dieser Lustgewinn könne aber durchaus auch in einem zweiten Schritt folgen. Denn auch derjenige, der sein Glied zuvor etwa zum Zweck des Urinierens frei gemacht hat, kann nach den Ausführungen des BGH eine exhibitionistische Handlung begehen, indem er sich in seinem bereits entblößtem Zustand dazu entschließt, einem anderen ohne dessen Einverständnis sein Glied mit Befriedigungsabsicht zu zeigen. Maßgeblich sei allein dieser Zeitpunkt und nicht der, indem sich der Betroffene entblößt.
Übertragen auf die Situation im zu verhandelnden Fall sah der BGH es als naheliegend an, dass der Angeklagte der jungen Frau sein entblößtes Glied gerade zum Zwecke des sexuellen Lustgewinns vorgezeigt hat, weil er sich immer wieder neben sie stellte und sie aufforderte, ihm zuzuschauen.
Das Urteil finden hier Sie hier in voller Länge.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht