Eine Diensthandlung kann auch ohne Belehrung rechtmäßig sein, wenn der Betroffene die Belehrung durch Flucht vereitelt
Die Rechtmäßigkeit einer Diensthandlung ist bei der Prüfung einer etwaigen Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB von großer Bedeutung. Denn gemäß § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB ist eine Widerstandshandlung nicht strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Maßgeblich für diese „strafrechtliche“ Rechtmäßigkeit der Diensthandlung ist die formelle Rechtmäßigkeit. Dazu zählt auch die Einhaltung der gesetzlichen Förmlichkeiten.
Bei einer Festnahme zur Identitätsfeststellung muss der Beamte dem Betroffenen zunächst eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird (§§ 127 Abs. 1 Satz 2, 163b Abs. 1 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO). Diese Belehrung zählt zu den wesentlichen Förmlichkeiten der Identitätsfeststellung. Unterbleibt die Belehrung, sind die entsprechenden Diensthandlungen in der Regel rechtswidrig. Ausnahmsweise kann eine Belehrung jedoch zunächst entbehrlich sein, wenn in der konkreten Festnahmesituation überhaupt keine Möglichkeit zu einer förmlichen Belehrung besteht und eine solche faktisch nicht durchgeführt werden kann, ohne die beabsichtigte Identitätsfeststellung zu gefährden.
Das Kammergericht hatte mit Beschluss vom 08. Juli 2019 – 3 Ss 49/19 – über die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung eines Polizeibeamten in einer solchen Situation zu entscheiden. In dem konkreten Fall hatte der Polizeibeamte im Rahmen einer Versammlung den Befehl erhalten, eine „Gruppe von etwa 20 – zum Teil vermummten und Steine mitführenden – Gegendemonstranten“ zu kontrollieren und deren Identität festzustellen. Die Gruppe hatte sich einer polizeilichen Sperrstelle genähert. Zudem war aus der Gruppe ein Stein in Richtung der Beamten geworfen worden. Als der Polizeibeamte auf eine männliche Person aus der Gruppe zuging und diese aufforderte stehen zu bleiben, ergriff diese die Flucht. Der Polizist rannte dem Mann hinterher, brachte ihn zu Boden und wollte ihn sichern. Dabei soll es zu Widerstandshandlungen im Sinne des § 113 StGB gekommen sein. Sodann belehrte der Beamte den Betroffenen – nunmehr auch wegen des Tatvorwurfs des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Der Betroffene wurde entsprechend angeklagt und durch das Amtsgericht verurteilt.
Das Kammergericht verwarf die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten als „offensichtlich unbegründet“. Das Verhalten des Angeklagten sei strafbar gewesen, weil in der konkreten Situation die Festnahmehandlung des Polizeibeamten trotz der zunächst unterlassenen Belehrung rechtmäßig gewesen sei. Eine erste Belehrung über die beabsichtigte Identitätsfeststellung sei hier vor der Festnahme entbehrlich gewesen, da diese dem Beamten nicht möglich gewesen sei, da hierdurch der Vollstreckungszweck gefährdet worden wäre. „Aufgrund der unvermittelt angetretenen Flucht, noch bevor der Zeuge Gelegenheit hatte, mitzuteilen, dass er eine Identitätsfeststellung durchzuführen beabsichtigt, hat der Angeklagte selbst die Belehrung hinsichtlich des der Maßnahme zugrunde liegenden Tatverdachtes zunächst vereitelt. […] Ein Versuch, ihm während der Nacheile den Tatverdacht zuzurufen, hätte – unabhängig davon, dass ein solches Vorgehen kaum der Information des Angeklagten gedient hätte – aufgrund des hierzu zusätzlich erforderlichen Kraftaufwandes ein Aufschließen des Zeugen zum Angeklagten und damit dessen Festnahme gefährdet.“ Unter Berücksichtigung der Umstände in der konkreten Situation und der zu diesem Zeitpunkt noch recht unübersichtlichen Lage, sei es ausreichend gewesen, den Angeklagten erst zu belehren, nachdem er „gesichert und wieder aufgerichtet worden war.“
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