Einen schönen guten Tag, einmal die Fahrscheine zur Kontrolle bitte!
Vor allem hier in Berlin kennt jeder diese Situation: Man sitzt oder steht in der stickigen und überfüllten Bahn, es ist Montagmorgen und Anfang des Monats. Die Türen gehen zu und eine Stimme ruft „Guten Morgen die Herrschaften, einmal die Fahrscheine zur Kontrolle bitte“. Die BVG hat also wieder Kontrolleure in den Großstadtdschungel geschickt, die überprüfen sollen, ob auch alle Fahrgäste ihre neue Monatskarte gekauft haben. Und ehe man sich versieht wird auch schon jemand aus dem Verkehr gezogen, der das Monatsticket nicht in den Tiefen seiner Tasche finden konnte.
Ist das nun ein typischer Fall des Schwarzfahrens, der unter das Erschleichen von Leistungen nach § 265a des Strafgesetzbuches fällt? Nein, urteilte das Kammergericht Berlin vor ungefähr zwei Jahren. Eine Entscheidung, die aufgrund ihrer Alltäglichkeit immer noch von besonderer Relevanz für uns Bürger ist.
Das Kammergericht hatte damals eine Entscheidung des Amtsgerichts zu überprüfen, in der der Angeklagte wegen des Erschleichens von Leistungen nach § 265a StGB zu 20 Freizeitarbeitsstunden verurteilt wurde. Der Schüler war mit der U-Bahn unterwegs und konnte bei einer Kontrolle keinen Fahrschein vorzeigen. Er führte an, seine Schülermonatskarte für den betroffenen Monat verloren zu haben, was ihm allerdings erst auf dem Weg zur U-Bahn aufgefallen sei. Obwohl im das Gericht durchaus Glauben schenkte, sah es den Tatbestand als erfüllt an.
Zu Unrecht, wie das Kammergericht feststellte. Denn das Erschleichen von Leistungen setzt einen Vermögensschaden voraus, der in der Inanspruchnahme des Transportunternehmens ohne dieses bezahlt zu haben, liegt. Doch worin ist eigentlich der Vermögensschaden des Verkehrsbetriebs zu sehen, wenn die Monatskarte am Automaten bzw. Schalter schon bezahlt wurde? Wie das Kammergericht zutreffend festgestellt hat, liegt in diesem Fall überhaupt kein Vermögensschaden vor. Denn ermöglicht ein Verkehrsbetrieb seinem Kunden nach Bezahlen einer Monatskarte innerhalb eines zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs beliebige Fahrten zu unternehmen, so entsteht dem Verkehrsbetrieb dadurch, dass der Fahrgast die vorher tatsächlich bezahlte Karte bei einer Kontrolle nicht bei sich hat, kein Vermögensschaden. Es soll nach den Ausführungen des Gerichts auch keinen Unterschied machen, ob man die Fahrkarte lediglich zuhause vergessen, oder wie im Fall, verloren hat. Eine Strafbarkeit wegen Erschleichens von Leistungen liegt zumindest dann nicht vor, wenn es sich um ein personenbezogenes und damit unübertragbares Ticket handelt.
Um sich allerdings Ärger und lästige Wege zur BVG zu sparen, sollte man sein Ticket, egal welcher Art, grundsätzlich immer dabei haben. Denn die vertragliche Verpflichtung, den Fahrschein bei einer Kontrolle vorzuweisen, besteht unabhängig davon, ob das Verhalten strafrechtlich relevant ist oder nicht.
Link zur Entscheidung des Kammergerichts
Alles schön und gut, aber was wenn ich einen gültigen Fahrschein habe, der Kontrolleur aber darauf besteht, dass er nicht gültig ist, weil er anscheinend nicht lesen kann oder unbedingt seine Quote vollkriegen muss?
Sicher, ich kann dagegen natürlich Einspruch einheben. Und krieg dann irgendwann Recht. Aber wer bezahlt mir die Zeit, die ich darauf verschwende, mich mit diesen Unsinn rumzuärgern? Gibt es keine Möglichkeit dann meinerseits Schadenersatz zu fordern, weil ich unrechtmäßig einer Straftat beschuldigt worden bin?
Zu 1: Das steht auch nicht in der Quelle und dürfte keine öffentlich bekannte Information sein. Zu 2: Das Gericht hielt seine Aussage offenbar für glaubwürdig, zumal es der Ansicht war, dass es darauf nicht wirklich ankäme. (Vermutlich war es einfach substanziiert dargelegt, z.B. so: „Seit ich zum zweitenmal beim Schwarzfahren erwischt wurde, kauft meine Oma mir jeden Monat die Monatsmarke.“) Da viele Richter dem Vernehmen nach die Sachverhalte in der Regel so hinbiegen, dass sie das gewünschte (Vor-)Urteil tragen, ist es gut möglich, dass das Gericht die Aussage des Schülers nicht geglaubt hätte, wenn ihm klar gewesen wäre, dass man hier Zivil- und Strafrecht trennen muss.
Folgendes verstehe ich an der Geschichte nicht:
1) Fürs Schwarzfahren kommt man vor Gericht und kriegt 20h aufgebrummt? Kann ich mir gerade nicht vorstellen, wenn es sich nicht gerade um einen x-ten Wiederholungsfall handelt. Oder wurde er tatsächlich zum ersten Mal erwischt?
2) Wie konnte er beweisen, dass er die Karte zwar gekauft, aber nur verloren hatte? Hatte er etwa eine Quittung oder sowas? Wenn ja, müsste es doch reichen, diese nachzuzeigen und dann nur die bekannten 7 EUR zu zahlen. Wenn nein, auf welcher Grundlage hat ihm das Gericht dann geglaubt?