ESO-Blitzer vs. Sonnengott Kahn
Und wieder einmal eine Meldung aus der beliebten Reihe: Was macht ehemalige Fußballgrößen eigentlich mit Otto Normalbürger gemein? Unterkategorie: Promi trifft Blitzer.
Nachdem es ja zuletzt Michael Ballack im schönen Spanien erwischt haben soll, ist nun laut Spiegel Online über ein etwas länger zurückliegendes vermeintliches Vergehen unseres ehemaligen Torwart-Titanen Oliver Rolf Kahn entschieden worden.
Danach erhielt Oliver Kahn im Herbst 2009 einen Bußgeldbescheid, gemäß dem er mit 163 km/h im ebenso schönen Bayern auf der A8 unterwegs gewesen sein soll. Das wären 83 km/h mehr als dort erlaubt waren. Drei Gutachter sollen jedoch festgestellt haben, dass nicht Herr Kahns Fahrzeug, im Übrigen ein 650 PS starker Mercedes, die Messung ausgelöst habe, sondern ein vorauseilender Lichtreflex. Die Fehlmessung könne dann auftreten, wenn Sonnenlicht in einem bestimmten Winkel auf das Fahrzeug treffe und von dort zum Messsensor reflektiert werde. Vorliegend habe die tatsächliche Geschwindigkeit nicht mehr verlässlich festgestellt werden können, so dass das Bußgeldverfahren eingestellt worden sei.
Bevor allerdings wieder die beliebte These vom Sonderstatus Prominenter ausgebuddelt wird, sei darauf hingewiesen, dass am Tag der Messung weitere ca. 40 Fahrzeuge nicht korrekt vom Blitzgerät erfasst worden sein sollen. Eine Reihe weiterer Bußgeldbescheide dürfte damit, einen entsprechenden Einspruch vorausgesetzt, wohl kassiert werden.
Ach ja, selbstredend bestreitet der Hersteller des Messgerätes ESO jeglichen Gerätefehler.
Als Fazit bleibt, dass es also auch weiterhin nicht nur angebracht sondern auch durchaus aussichtsreich ist, jegliche Fälle einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Einzelnen zu hinterfragen, und zwar (a) ungeachtet der reflexartigen Versicherungen der Hersteller bezüglich der Zuverlässigkeit und Genauigkeit ihrer kleinen technischen Wunderwerke, (b) trotz erfolgter Zertifizierungen durch die PTB, (c) wider den oftmals pauschalen und formelhaften Schriftsätzen seitens der Polizei und Verwaltungsbehörden sowie (d) obgleich des Vorliegens einschlägig ablehnender Entscheidungen zum Thema Geschwindigkeitsmessgeräte.
Was sonst noch zu sagen wäre: 650 PS? Ehrlich? Respekt, Herr Kahn!
@Debe
In Bußgeldverfahren gibt es keine Tagessätze.. Nur Geldstrafen werden in Tagessätzen verhängt, vgl. § 40 I 1 StGB.
Für die Zumessung der Geldbuße sind die Bedeutung der OWi und der Vorwurf, den der Täter trifft, grundlegend. Zwar können die wirtschaftlichen Verhältniss des Täters in Betracht kommen, bei geringfügigen OWi bleiben sie jedoch in der Regel außer Betracht, vgl. § 17 III OWiG.
83 km/h mehr sind ja schon heftig, und da ist für die Sachbearbeiter auch kein Spielraum, der bei 10 km/h bleibt.
Meine Erfahrung ist zumindest, dass Knöllchen im Bereich unter 20 Euro stillschweigend verschwinden, wenn man die Person auf dem Foto nicht eindeutig benennen kann – dafür scheint dann auch die mögliche persönliche Augenscheinnahme des vermuteten Fahrers unverhältnismässig. Bei einem so schwerwiegenden Verstoss bzw. Vorwurf wie hier „lohnt“ sich die Ermittlung durchaus. Da ist nur die Frage, ob jemand ohne Promi-Geldbeutel das Risiko eines Gerichtsverfahrens eingeht, sich einen zusätzliche Kosten ankündigenden Anwalt nimmt oder doch einknickt und blecht.
Werden Tagssätze eigentlich nur nach Einkommen verhängt, nicht nach Vermögen? Dann könnte ein erfolgreicher Ex-Torwart ja sogar noch billig wegkommen 🙂
Nachtrag: Der Freispruch ist allerdings inzwischen durch das OLG München auf Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Traunstein aufgehoben worden. Ein neuer Prozesstermin steht noch nicht fest.