Ex-Kanzlerin Merkel auf Facebook als „dumme Schlampe“ bezeichnet – hängt die Strafbarkeit von der Reichweite des Beitrags ab?
Wir haben uns bereits im letzten Beitrag mit der Abgrenzung zwischen strafbarer Beleidigung gemäß § 185 StGB und zulässiger Meinungsäußerung beschäftigt. Während es dort um Äußerungen gegenüber Polizeibeamten im direkten persönlichen Kontakt ging, steht heute ein anderer Aspekt im Fokus: die Beleidigung von Politikern in sozialen Netzwerken. Gerade im digitalen Raum sind öffentliche Anfeindungen gegen Amtsträger weit verbreitet, weshalb der Gesetzgeber mit § 188 StGB einen besonderen Schutz für Personen des politischen Lebens geschaffen hat. Der § 188 Abs. 1 StGB lautet wie folgt:
„(1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene.“
Wann eine Beleidigung konkret dazu geeignet ist, das öffentliche Wirken einer politischen Person zu erschweren, geht aus dem Tatbestand nicht hervor und ist regelmäßig Gegenstand von Gerichtsurteilen. Auch das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken (Az.: 1 ORs 1 SRs 8/24) hat sich in einem aktuellen Urteil damit befasst, insbesondere mit der Frage, ob es eine Rolle spielt, welche Reichweite die beleidigende Äußerung hat.
In dem konkreten Fall hatte der Angeklagte im September 2021 auf seinem öffentlichen Facebook-Profil den Kommentar „Merkel im Ahrtal…daß sich die dumme Schlampe nicht schämt…“ veröffentlicht. Der Beitrag war in weißer Schrift auf braunem Hintergrund gestaltet und mit sieben Kothaufen-Emojis versehen. Das Amtsgericht Kaiserslautern verurteilte ihn daraufhin zu einer Geldstrafe. In der Berufungsinstanz wurde das Verfahren jedoch eingestellt. Das Landgericht Kaiserslautern war der Ansicht war, dass die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel durch den Beitrag zwar öffentlich beleidigt worden ist. Allerdings sei für den Straftatbestand der sogenannten Politikerbeleidigung nach § 188 StGB auch erforderlich, dass die Beleidigung dazu geeignet ist, ihr öffentliches Wirken erheblich zu erschweren. Bei der Frage, ob dies der Fall ist, seien die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Neben der Person des Betroffenen und dem Inhalt des Beitrags sei auch die Reichweite der jeweiligen Veröffentlichung in den Blick zu nehmen. Der Angeklagte, der lediglich 417 Facebook-Freunde habe und bei dem es sich nicht um einen sog. Blogger oder Influencer handele, verfüge nicht über eine Reichweite, die eine Strafbarkeit gemäß § 188 StGB rechtfertige. Eine Verurteilung des Angeklagten wegen (einfacher) Beleidigung nach § 185 StGB war mangels Strafantrags der ehemaligen Bundeskanzlerin nicht möglich.
Das OLG Zweibrücken hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an eine andere Kammer des LG zurück. Das OLG stellte klar, dass für die Strafbarkeit einer Beleidigung nach § 188 StGB allein der Inhalt der Äußerung maßgeblich sei. Der Inhalt der Äußerung müsse lediglich zur Herbeiführung von erheblichen Nachteilen für den Angegriffenen abstrakt geeignet sein; die Folge selbst brauche nicht eingetreten sein. Diese Auslegung entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der mit der Verschärfung des § 188 StGB gezielt den Schutz politischer Persönlichkeiten vor Hass und Hetze im Internet verbessern wollte.
Es bleibt mithin festzuhalten, dass es nach der Ansicht des OLG bei der Beurteilung der Strafbarkeit nach § 188 StGB keine Rolle spielt, ob und wie viele Personen einen beleidigenden Beitrag in den sozialen Medien gesehen haben.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin-Kreuzberg