Fahren ohne Fahrerlaubnis in der Öffentlichkeit
(Problembesprechung anhand des Falls BGH 4 StR 527/12 vom 30. Januar 2013)
Der Begriff des öffentlichen Straßenverkehrs ist in den wenigsten Fällen des juristischen Alltags problematisch. Im Studium drehen sich die Schwierigkeiten, wenn es denn in einer Klausur mal um Straßenverkehrsdelikte geht, eher um andere Tatbestandsmerkmale, während auch in der Praxis vor Gericht fast immer eindeutig ist, ob ein Delikt im öffentlichen Straßenverkehr begangen worden ist.
Eine etwas schwierigere Situation hatte das Landgericht Halle zu beurteilen:
Auf einem zunächst frei zugänglichen und unbefestigten Parkplatz neben einer Tankstelle schlugen die beiden Angeklagten auf ihr Opfer ein. Ein Zeuge, dessen Aufgabe es war die sich auf dem Parkplatz befindlichen Schranken zu Öffnen und zu Schließen, forderte die beiden Männer auf, den Parkplatz mit ihrem Pkw zu verlassen, damit er die Schranke schließen könne. Dabei bemerkte er die sich gerade abspielende Misshandlung des Opfers nicht. Einer der Angeklagten rief ihm zu, er solle sich keine Gedanken machen, da sie schon irgendwie von dem Parkplatz herunter kommen würden. Der Zeuge schloss also die Zufahrt mit der Schranke, wobei er bemerkte, dass die beiden Angeklagten auf jemanden eintraten und rief die Polizei. Derweil stiegen diese wieder in den Wagen ein. Einer der Angeklagten, der stark alkoholisiert war und zudem keine Fahrerlaubnis besaß, fuhr das Auto. Er versuchte zunächst die Tankstelle zu umfahren, um wieder auf die Straße zu gelangen und zu flüchten. Da ihm dies einerseits aufgrund eines Erdwalls und andererseits aufgrund der Schranke nicht gelang, musste er die Fahrt auf dem Parkplatz nach ungefähr 220 Metern beenden.
Das Landgericht Halle verurteilte ihn wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Zu Unrecht, beschloss der BGH auf die Revision des Angeklagten. Zwar halte die Körperverletzung der rechtlichen Nachprüfung stand, nicht jedoch der Schuldspruch wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit. Denn die Urteilsgründe würden nicht belegen, dass der Angeklagte das Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum geführt habe.
Was umfasst der öffentliche Verkehrsraum?
Der öffentliche Verkehrsraum umfasst nach den Ausführungen des BGH zunächst alle Flächen, die dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind, wie beispielsweise Straßen, Plätze, Fußwege oder Brücken. Weiterhin erfasst sind auch Flächen, die ohne Rücksicht auf ihre Widmung und ungeachtet ihrer Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen sind und auch tatsächlich so genutzt werden. Ob eine Duldung vorliegt, wird regelmäßig von den für den Besucher erkennbaren äußeren Umständen abhängig gemacht. Befinden sich also beispielsweise Schranken, Ketten oder Verbotsschilder auf einer Verkehrsfläche, so ist diese nicht dem öffentlichen Straßenverkehr zuzuordnen. Wie der BGH in seinem Beschluss ausführt, kann es dadurch auch auch dazu kommen, dass Verkehrsflächen zeitweilig öffentlich und zu anderen Zeiten nicht öffentlich sind. Dabei ende die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum mit einer eindeutigen, äußerlich manifestierten Handlung des Verfügungsberechtigten. Diese müsse unmissverständlich erkennbar machen, dass der öffentliche Verkehr auf der Fläche nicht mehr geduldet wird.
Äußerlich manifestierte Handlung des Verfügungsberechtigten
Damit, dass der Zeuge die beiden Angeklagten dazu aufgefordert hat den Parkplatz zu verlassen und die Schranke kurz darauf geschlossen hat, lag eine äußerlich manifestierte Handlung des Verfügungsberechtigten vor. Der Parkplatz gehörte also ab diesem Moment nicht mehr zum öffentlichen Verkehrsraum, der Wille des Zeugen war unmissverständlich ausgedrückt worden. Dies bedeutet allerdings auch, dass die unter Alkoholeinfluss stattfindende Fahrt auf dem Parkplatzgelände nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 316 Abs. 1 StGB ist. Der BGH konnte die Entscheidung des Landgerichts somit nicht aufrechterhalten. Vor allem hatte das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Angeklagte sich beim Versuch, die Schranke zu umfahren, im öffentlichen Verkehrsraum befand. Die Sache muss demnach vor einer anderen Kammer des Landgerichts neu verhandelt werden, die dann ganz genau darauf achten muss, ob die Fahrt des Angeklagten zu irgendeiner Zeit im öffentlichen Straßenverkehr stattgefunden hat oder nicht.
Rechtsanwalt Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin Kreuzberg
Eine Antwort
[…] anzündet, um eine Geldstrafe und womöglich auch einer strafrechtliche Verfolgung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu umgehen? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig nach […]