Fluchtfahrt vor der Polizei – Kann auch nach § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB bestraft werden?

Die Klausurvorbereitung im Strafrecht stellt Jurastudierende immer wieder vor Herausforderungen. Ein Tatbestand, der bei der Vorbereitung auf eine Strafrechtsklausur nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist der § 315b StGB, der die gefährlichen Eingriffe in den Straßenverkehr regelt. Nicht selten ist er Gegenstand von Prüfungen und Fallbearbeitungen, sodass nun die wesentlichen Aspekte des § 315b StGB näher beleuchtet werden sollen.

Die Norm stellt ein konkretes Gefährdungsdelikt dar, weshalb eine abstrakte Gefährdung für eine Strafbarkeit nach § 315b StGB nicht ausreicht. Bestraft wird nach Abs. 1, wer die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.

Beeinträchtigt kann die Sicherheit des Straßenverkehrs durch folgende Möglichkeiten:

1. durch die Zerstörung, Beschädigung oder Beseitigung von Anlagen oder Fahrzeugen

2. indem Hindernisse bereitet werden

3. oder durch einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff.

Es sind also im Gegensatz zum § 315c StGB vor allem Eingriffe von außen in den Straßenverkehr gemeint. Nur durch Nr. 3 ist eine Ausnahme möglich, wonach auch ein ein Täter nach dem § 315b StGB bestraft werden kann, der selber ein Fahrzeug führt und dieses bewusst zweckwidrig und in verkehrsfeindlicher Absicht einsetzt. Für diese Möglichkeit muss der Täter zumindest mit bedingtem Schädigungsvorsatz handeln.

Ob sich der Angeklagte bei seiner Fluchtfahrt vor der Polizei des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b StGB strafbar gemacht hat, musste der Bundesgerichtshof (4 StR 70/23) in seinem Beschluss vom 6. Juni 2023 klären. Der Angeklagte fuhr vor der Polizei davon, begegnete aber auf einem Waldweg einem Polizeiauto, welches ihm entgegen fuhr. Der Polizeibeamte befürchtete eine Kollision zwischen den Fahrzeugen und flüchtete aus dem Auto. Da das Auto immer näher kam, entschied er sich dafür, sich über das Einsatzfahrzeug in Sicherheit zu bringen. In diesem Moment kollidierte das Fahrzeug des Angeklagten mit der geöffneten Tür, wodurch der Oberschenkel des Polizeibeamten eingeklemmt wurde. 

Die Feststellungen reichen für eine Verurteilung des Angeklagten wegen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht aus. Demnach kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass der Angeklagte das Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt hat. Schon dass er die offene Tür angefahren hat, zeigt, dass er das Einsatzfahrzeug umfahren wollte und somit ein kollisionsfreies Passieren des Autos für möglich hielt und erzielen wollte.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg

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