Gefährliches Fahrmanöver– Wann kann ein Tötungsvorsatz im Rahmen eines versuchten Totschlags angenommen werden?
Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird gem. § 212 Strafgesetzbuch (StGB) mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Hierbei ist im Rahmen des subjektiven Tatbestands ein Tötungsvorsatz erforderlich, wobei ein bedingter Vorsatz ausreicht.
In rechtswissenschaftlichen Strafrechtsklausuren begegnet einem häufig die Problematik der Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit, so dass es essentiell ist, sich damit auseinanderzusetzen.
In dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 2021 (4 StR 312/20) musste sich der Bundesgerichtshof damit befassen, wann bei einem gefährlichen Fahrmanöver eines Autofahrers ein bedingter Tötungsvorsatz angenommen werden kann.
In dem, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Fall fuhr der Angeklagte mit seinem Auto auf einer Bundesstraße. Er und ein Motorradfahrer überholten sich mehrfach gegenseitig und bremsten einander aus. Auf der Autobahn wechselte der Angeklagte dann mit mindestens 120 km/h auf die Fahrspur des Motorradfahrers, der sich schräg hinter ihm befand. Dabei kollidierte das Fahrzeug des Angeklagten hinten mit dem Motorradlenker, wodurch der Motorradfahrer mit seinem Motorrad zu Boden ging. Der Motorradfahrer hatte Glück und zog sich bei dem Sturz lediglich zahlreiche Prellungen zu.
Gleichwohl verurteilte das Landgericht Cottbus den Angeklagten unter anderem wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Hiergegen wehrte sich der Angeklagte vor dem Bundesgerichtshof und hatte Erfolg: Der Bundesgerichtshof führte in seiner Entscheidung aus, dass vorliegend kein bedingter Tötungsvorsatz des Angeklagten festgestellt werden kann.
Bedingter Tötungsvorsatz sei gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handeln erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement).
Für die Annahme eines solchen bedingten Tötungsvorsatzes sei unerlässlich dazulegen, welchen Verlauf sich der Angeklagte bei seinem Fahrmanöver (Spurwechsel) vorstellte. Unklar sei vorliegend aber, welches Ziel er verfolgte und ob er überhaupt mit einer Kollision gerechnet hat. Alleine aufgrund der Gefährlichkeit des Fahrmanövers könne jedenfalls nicht auf einen Tötungsvorsatz geschlossen werden.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg