Gefälschte Staatsexamenszeugnisse – Das Karriereende eines Möchtegernanwalts
Welcher Student kennt es nicht: Der Traum eines guten juristischen Staatsexamenszeugnisses und eine Karriere in einer angesehenen Großkanzlei inklusive hohem Einstiegsgehalt. Diesen Traum hatte sich ein inzwischen 35-jähriger Angeklagter in München erfüllt. Allerdings nicht durch Fleiß und exzellente Examensergebnisse, sondern durch das Fälschen von Staatsexamenszeugnissen.
So fälschte er im Rahmen eines Praktikums in einem Münchner Notariat Beglaubigungen juristischer Staatsexamenszeugnisse und bescheinigte sich für das Erste Examen 12,48 Punkte und für das Zweite Examen 11,64 Punkte, wie sie in Bayern nur von einem kleinen einstelligen Prozentanteil der Kandidaten erreicht werden. Tatsächlich hatte der Angeklagte das Jurastudium jedoch nach sechs Semestern ohne Abschluss abgebrochen.
Der Angeklagte hatte die Fälschungen der Rechtsanwaltskammer zur Erlangung der Rechtsanwaltskammer vorgelegt, um dann als Rechtsanwalt oder Syndikus zu arbeiten. Im Anschluss daran erzielte er eine Erstanstellung bei einer angesehenen Großkanzlei im Bereich des Immobilienwirtschaftsrechts, bei der er in der Zeit von April 2016 bis März 2018 ein Bruttogehalt von mindestens 193.042 € erlangte. Nachdem seine Leistungen dort erst nach etwa zwei Jahren durchaus „kritisch bewertet“ worden waren, nahm der Angeklagte nach eigener Kündigung eine Anstellung bei einem großen Versicherungsunternehmen im Bereich Unternehmensrecht als Syndikus an. Hier erzielte er vom 1. April 2018 bis zum 30. September 2019 ein Bruttogehalt in Höhe von 132.600 €. Sein Arbeitgeber war dort mit seinen Leistungen zufrieden, allerdings war der Angeklagte nicht mit den ihm angebotenen Aufstiegschancen zufrieden. Er schloss daher einen Anstellungsvertrag bei einer Kanzlei ab dem 1. Januar 2020 mit einem Anfangsgehalt von jährlich 120.000 € brutto ab.
Da der Angeklagte das Zweite Examen mit Datum vom 25. Mai 2015 (Pfingstmontag) bescheinigt hatte, wurde die Kanzlei stutzig und erkundigte sich beim Justizprüfungsamt nach der Richtigkeit des Zeugnisses. Die Täuschung flog auf und es wurde gegen den Angeklagten Anzeige erstattet.
Der Angeklagte zeigte sich geständig und gab an: „Das Geld war es nicht, das war es nie. Es war die Unfassbarkeit, dass ich trotz meiner fehlenden juristischen Ausbildung so gut vorankam. (…) Ich würde mich als arroganten hochnäsigen Mitarbeiter beschreiben. Mit Kollegen habe ich mich gut verstanden. Bei Vorgesetzten bin ich immer in eine Abwehrhaltung gegangen, habe immer auf mein Recht bestanden, da ich auch immer so gute Noten gelogen habe.“ Sein letztes Wort endete mit der Aussage: „Ich werde mein Leben lang Buße tun.“
Amtsgericht München: Betrug und Urkundenfälschung
Das Amtsgericht München verurteilte den Angeklagten am 23. November 2020 (Az. 823 Ls 231 Js 185686/19) wegen z.T. nur versuchten Betrugs in sechs und Urkundenfälschung in 22 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung. Auch ordnete es die Zahlung von 325.642,00 € Wertersatz an.
Als Begründung führte der Vorsitzende Richter an, dass dem Angeklagten die erforderliche fachliche Qualifikation fehlt und er somit im vorliegenden Fall zum jeweiligen Zeitpunkt der Gegenzeichnung der Arbeitsverträge unter rechtlichen Gesichtspunkten keine gleichwertige Gegenleistung für die ihm gewährte Vergütung hat erbringen können. Es komme hier somit auch nicht darauf an, ob er zufriedenstellende Leistungen tatsächlich erbracht hat.
Bei der konkreten Strafzumessung war zugunsten des Angeklagten berücksichtigt worden, dass er bereits von Beginn an vollumfänglich geständig war, die Ermittlungen unterstützt und sich kooperativ verhalten hatte. Auch vor Gericht lag er ein vollumfängliches Geständnis ab, wodurch eine umfangreiche Beweisaufnahme unterblieben werden konnte. Des Weiteren wurde strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte bisher nicht vorbestraft war und sich nach der Tat eigenständig um eine Aufarbeitung bemühte. Ferner wurde zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er an einer psychischen Erkrankung leidet, die ihre Basis bereits in den familiären Umständen findet. Zuletzt wurde berücksichtigt, dass der Angeklagte Reue gezeigt hat und sich bei den Geschädigten entschuldigt hat. Die Entschuldigungen sind auch angenommen worden.
Zulasten des Angeklagten war berücksichtigt worden, dass ein hoher Schaden in Höhe von 325.642,00 € eingetreten ist und auch eine weitere hohe Vermögensgefährdung vorlag. Auch der Folgeschaden von mindestens 495.000,00 €, den die geschädigte Kanzlei an Mandanten, für die der Angeklagte tätig gewesen war, zurückgezahlt hatte, ist nachteilig berücksichtigt worden. Darüber hinaus sind generalspräventive Gründe zulasten des Angeklagten beachtet worden. Der Angeklagte hat vorgespiegelt, Rechtsanwalt zu sein. Da der Beruf des Rechtsanwalts in der Gesellschaft einen besonderen Stellenwert hat und besonders hohes Vertrauen genießt, das durch die Tat erschüttert worden ist, sei auch die Verteidigung der Rechtsordnung zu beachten.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger in Berlin-Kreuzberg