Gegenstand einer uneidlichen Falschaussage im Strafverfahren
Die falsche uneidliche Aussage gem. § 153 Strafgesetzbuch (StGB) gehört zu den Aussagedelikten, die immer wieder gerne in strafrechtlichen Klausuren eingebaut werden. Es ist daher unerlässlich, sich damit vertraut zu machen.
Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Es ist dabei nicht immer ganz unproblematisch, wie weit sich der tatsächliche Gegenstand der Aussagepflicht eines Zeugen innerhalb einer solchen Vernehmung erstreckt, d.h. welche Tatsachen von dem Zeugen mitgeteilt werden müssen.
Mit genau dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 172/20) in seinem Beschluss vom 23. November 2020 auseinandersetzen.
In dem hiesigen Fall hatte die Angeklagte als Oberstaatsanwältin Ermittlungen gegen eine Tätergruppe wegen Betäubungsmitteldelikten geleitet und Anklage gegen zwei Täter erhoben. Der Tatnachweis stützte sich ausschließlich auf Angaben eines Belastungszeugen.
Die Angeklagte wurde in der Hauptverhandlung als Zeugin zu den Umständen des Zustandekommens und des Ablaufs der Vernehmung dieses Belastungszeugen vernommen. Hierbei erklärte sie, mit der Vernehmung „nichts zu tun“ gehabt zu haben.
Gleichwohl hatte tatsächlich unmittelbar vor der polizeilichen Vernehmung ein Vorgespräch von ca. 45 Minuten unter Beteiligung der Angeklagten, des Belastungszeugen, seines Verteidigers, Vernehmungsbeamten des BKA und weiterer Polizisten stattgefunden.
Die Angeklagte wusste, dass ihre Angaben für die Sachverhaltsaufklärung im Verfahren hinsichtlich der Aussagemotivation und Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen von Bedeutung waren. Indessen erwähnte sie das Vorgespräch nicht.
Im Strafprozess existiert (anders als im Zivilprozess) eine Begrenzung des Umfangs der Zeugnispflicht auf die im Beweisbeschluss in bestimmter Form bezeichnete Beweisfrage nicht. Der Gegenstand der Vernehmung zur Sache ist hier allgemein der „Gegenstand der Untersuchung“ nach § 69 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO), der dem Zeugen vor seiner Vernehmung zu bezeichnen ist. Eine zum Gegenstand der Vernehmung gehörige, für die Entscheidung erhebliche Tatsache muss mitgeteilt werden, selbst wenn der Zeuge nicht ausdrücklich danach gefragt wird. Er hat von sich aus alles anzugeben, was er in diesem Zusammenhang als wesentlich erkennt.
Ein einer förmlichen Vernehmung unmittelbar vorgelagertes Gespräch der Aussageperson mit den Ermittlungsbeamten ist mit der Vernehmung eng verknüpft. Denn aus dem Vorgespräch können sich Rückschlüsse auf Befragungs- und Aussagemotivation ergeben, die für die Belastbarkeit der Vernehmungsergebnisse beachtlich sein können.
Entsprechend einem dahingehenden Aufklärungsinteresse ist der Gegenstand der Untersuchung i. S. d. § 69 Abs. 1 StPO im vorliegenden Fall ausdrücklich auf Umstände des Zustandekommens und des Ablaufs der Vernehmung erstreckt und als solcher bezeichnet worden. Nach diesen Maßstäben hätte die Angeklagte das Vorgespräch erwähnen müssen.
Mithin verletzt ein Zeuge seine Wahrheitspflicht, wenn er Tatsachen, die für den Gegenstand der Vernehmung erheblich sind, falsch wiedergibt oder – sofern sie mit der Beweisfrage für ihn erkennbar im Zusammenhang stehen – verschweigt. Eine Aussage im Sinne des § 153 StGB umfasst alle zum Zeitpunkt der Äußerung potenziell erheblichen Tatsachen, die mit der Tat im Sinne des § 264 StPO zusammenhängen oder zusammenhängen können.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Strafverteidiger aus Berlin-Kreuzberg