Geständnis nach probeweisem Einsperren in einer Zelle – Aussageerpressung und Rechtsbeugung eines Richters?
Wann sich ein Richter wegen Aussageerpressung und Rechtsbeugung strafbar macht, beschäftigte auch den Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15. August 2018 (2 StR 474/17).
Der Fall hat den folgenden Hintergrund:
Der Angeklagte wurde ab dem 2. März 2009 als Richter auf Probe bei einem Amtsgericht eingestellt und dort als Strafrichter verwendet. In einer Hauptverhandlung, in der es um eine Strafbarkeit wegen Exhibitionismus ging, entschloss sich der Strafrichter, dem Beschuldigten „probeweise“ einen Haftraum zu zeigen. Hintergrund dessen war, dass der Beschuldigte trotz intensiver Befragung bei seiner bisherigen Einlassung blieb, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Daran hatte sich auch dann nichts geändert, als der Strafrichter dem Beschuldigten bei seiner intensiven Befragung vorhielt, dass er im Wiederholungsfalle mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen habe, wobei er im Gefängnis für sexuelle Übergriffe durch Mithäftlinge ein leichtes Opfer sei. Auch der Hinweis des Staatsanwalts, ein Geständnis könne sich strafmildernd auswirken, blieb ohne Erfolg. Der Strafrichter wurde daraufhin immer ungeduldiger, da er wollte, dass der Beschuldigte ein vollumfängliches Geständnis ablegt. Aus seiner Sicht benötigte er ein solches Geständnis, um die Durchführung einer Therapie anordnen zu können.
Der Strafrichter entschloss sich daher dazu, den Druck auf den Beschuldigten dadurch zu erhöhen, dass er ihm eine Gewahrsamszelle zeigen ließ. Mit den Worten „Sie kommen jetzt mal mit, ich zeige Ihnen mal, wie ihre Zukunft aussehen kann“ sprang er während der Verhandlung daher plötzlich auf und brachte den Beschuldigten zusammen mit einem Wachtmeister in den Gewahrsamsbereich im Keller des Amtsgerichts. Er forderte den Beschuldigten auf, eine der Zellen zu betreten und teilte dem Beschuldigten mit, dass dieser jederzeit klopfen könne, wenn er Angst habe, und die Zelle verlassen wolle. Der nunmehr völlig verängstigte Beschuldigte folgte den Anweisungen des Strafrichters und setzte sich auf die in der Zelle befindliche Bank, woraufhin der Strafrichter die Zellentür schloss und den Riegel vorschob. Nach höchstens einer Minute wurde der Beschuldigte – wie zuvor zugesagt – wieder aus der Zelle entlassen und zurück in den Gerichtssaal gebracht. Die gesamte Unterbrechung hatte etwa fünf Minuten gedauert. Der Beschuldigte bestritt die Tat zwar zunächst weiterhin, legte dann aber doch noch ein Geständnis ab und erklärte sich dazu bereit, sich einer ambulanten Therapie zu unterziehen.
Das Landgericht Kassel hatte den Strafrichter in seiner ersten Entscheidung vom Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Aussageerpressung freigesprochen (1. September 2011). Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Bundesgerichtshof diesen Freispruch aufgehoben (31. Mai 2012). Nunmehr hat das Landgericht Kassel den Strafrichter wegen Rechtsbeugung und Aussageerpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, welche aber zur Bewährung ausgesetzt wurde und zudem fünf Monate dieser Strafe für vollstreckt erklärt (27. Juni 2017).
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs hält die Entscheidung des Landgericht Kassels vom 27. Juni 2017 rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Strafrichter habe sich nicht wegen Rechtsbeugung und Aussageerpressung strafbar gemacht.
In dem Verschließen der Zellentür sei keine Gewaltanwendung zu sehen, da darin weder ein Einsperren noch eine Freiheitsberaubung liege. Auch sei eine Fortbewegung nicht unmöglich gemacht worden, da es dem Beschuldigten jederzeit möglich gewesen wäre, aus der Zelle entlassen zu werden. Zudem sei der Beschuldigte durch die Maßnahme nicht seelisch gequält worden.
Auch eine Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung aufgrund der Anwendung einer verbotenen Vernehmungsmethode (§ 136a StPO) konnte der Bundesgerichtshof nicht erkennen. Es komme aber in Betracht, dass der Beschuldigte durch eine unerlaubte, erhebliche manipulative Einflussnahme und einen dadurch erzeugten schwerwiegenden seelischen Druck in seiner Entscheidung über das Ob und Wie seiner Aussage maßgeblich beeinträchtigt war und deshalb eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 gegeben ist.
Der Bundesgerichthof verwies den Fall daher zur erneuten Prüfung an das Landgericht Kassel zurück. Es bleibt also weiterhin spannend, wie es im 3. Rechtsgang weitergeht.