Hochverdächtig 1/3
Heute der erste Teil eines kleinen Lernbeitrags zum Strafprozessrecht.
Das Strafprozessrecht unterscheidet drei verschiedene Verdachtsgrade, nämlich
- den Anfangsverdacht
- den hinreichenden Tatverdacht und den
- dringenden Tatverdacht
Wenn man sich den Verdacht als einen Strahl vorstellt, der bei bei 0 % beginnt und bei 100 % endet, wobei 0 % für „der Beschuldigte ist völlig unverdächtig“ und 100 % für „der Beschuldigte ist sicher der Täter“ steht, kann man die Verdachtsgrade leicht anordnen und sich so ihr Wesen verständlich machen.
1. Der Anfangsverdacht
Ganz links, vl. bei 2-3 % steht der Anfangsverdacht. Dieser ist eine niedrige Hürde, die der Staatsanwaltschaft gestellt wird, wenn sie ein Ermittlungsverfahren einleiten will. Gefordert werden gemäß § 152 StPO
zureichend tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat
Wichtig: Was unter „zureichend tatsächlichen Anhaltspunkten“ zu verstehen ist, entscheidet im Zweifel der Staatsanwalt. Schließlich hat er dafür einen Beurteilungsspielraum.
Beispiel: Der Cineast C geht zweimal pro Woche durch den Volkspark ins Kino. Der Volkspark ist weitläufig dafür bekannt, dass man dort leicht Drogen an- und verkaufen kann. Staatsanwältin S vermutet, dass C im Volkspark Drogen erwirbt, um sie darauf im Kino mit Aufschlag unters Volk zu bringen. Darf S ein Ermittlungsverfahren gegen C einleiten?
S dürfte ein Ermittlungsverfahren einleiten, wenn für eine verfolgbare Straftat zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorlägen, mithin ein Anfangsverdacht bestünde.
S vermutet, dass C mit Betäubungsmitteln handelt. Außerdem ist die statistische Häufigkeit von Betäubungsmitteln im Volkspark erhöht. C hält sich gehäuft im Volkspark auf. Somit ist auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass C mit Betäubungsmitteln handelt.
Für die Annahme eines Anfangsverdachts genügt dies jedoch nicht. Die Auffassung der S ist eine bloße Vermutung. Vermutungen sind keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Zudem genügt die statistische Häufigkeit bestimmter Straftaten an bestimmten Orten für den strafrechtlichen Anfangsverdacht nicht. Gefordert wird eine „mehr als überzufällige Wahrscheinlichkeit“, dass C mit Drogen handelt.
Somit liegt kein Anfangsverdacht vor.
Mit Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen C würde S seinen Beurteilungsspielraum verlassen.
S darf kein Ermittlungsverfahren gegen C einleiten.
C darf sich freuen und grämen. Einerseits ist er kein Beschuldigter. Andererseits genießt er so natürlich auch keine Beschuldigtenrechte (§ 136 StPO. Er wird darüber hinwegkommen.
Der Beitrag wird fortgesetzt.