Im Tatort wird vielseitig gemordet, begleitet von Beethoven und Verdi

Tobias KreherEin Gastbeitrag von Tobias Kreher, Student in Berlin:

Die meisten kennen sicherlich die drei Mäntel, die einst am Bahnhof waren und auf jemanden warteten. In den Mänteln waren drei Männer und in den Männern drei Kugeln. So wird es in dem Kultfilm „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) erzählt, und dennoch beschreibt diese Aussage auch ziemlich genau die Eingangsszene des Tatorts „Im Schmerz geboren“ vom 12. Oktober 2014. Der Bolivianische Drogenbaron Richard Harloff (Ulrich Matthes) tritt zu den Klängen von Beethovens Coriolan-Ouvertüre wie eben jener Feldherr auf die Bildfläche, bevor er zunächst die drei Söhne und dann seinen Shakespeare verehrenden Konkurrenten „Don Bosco“ (Alexander Held) selbst erschießen lässt. Bereits diese erste Szene lässt erahnen, wohin die Reise geht. Der Tod kommt in diesem Tatort sehr häufig und auf viele unterschiedliche Weisen. So wird der Zuschauer auch letztlich gebeten, für einen Augenblick auch der Toten dieses Spiels zu gedenken.

Unter strafrechtlichen Gesichtspunkten wird man bei diesem Tatort automatisch an eine ganze Reihe von Mordmerkmalen denken.

Da ist zum einen der Sohn des Richard Harloff. Jener David Harloff (Golo Euler) ist von Beruf Auftragskiller. Er erschießt die drei Männer am Bahnhof mit einem Präzisionsgewehr aus dem Hinterhalt. Aber war es wirklich Heimtücke im Sinne des § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB? Immerhin begaben sich die drei Bosco-Brüder in dem Wissen zu dem Bahnhof, dass dort der Erzfeind ihres Vaters erscheint, der allseits bekannt „töten musste, um selbst zu überleben“. Auf der Überwachungskamera ist für den ermittelnden Polizisten Felix Murot (Ulrich Tukur) zudem gut zu erkennen, dass der eine in Richtung des Schützen blickte, kurz bevor ihn die tödliche Kugel traf. „Sie sehen ihn, aber er ist schneller“, sagt Murot.

Heimtückisch mordet, wer die Tötung unter Ausnutzung der auf Arglosigkeit basierenden Wehrlosigkeit des Opfers begeht. Über die Arglosigkeit kann hier sicherlich diskutiert werden.

Harloff befiehlt aber nicht nur seinem Sohn, die Konkurrenten zu töten, er beauftragt auch die nun ihm selbst unterstehende einstige Truppe von Bosco damit. Vollgepumpt mit Drogen laufen diese schwerbewaffneten Männer zum Casino, das sie auszurauben vorgeben, und liefern sich anschließend eine heftige Schießerei mit dem Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei. Dabei sterben neben 36 Angreifern auch vier Polizisten und drei Zivilisten.

Es stellt sich die Frage, ob das Schießen mit Maschinengewehren auf offener Straße durch die Bande des Harloff als gemeingefährliches Mittel im Sinne des § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 3 StGB zu betrachten ist.

Gemeingefährlich ist ein Mittel, wenn es durch seine Anwendung im Einzelfall eine zumindest generelle Gefährdung für eine unbestimmte Anzahl von anderen Personen mit sich bringt.

Im vorliegenden Fall hat sich die Gefahr des Todes für die Polizisten und Zivilisten sogar im Erfolg realisiert. Besonders der Aspekt, dass jeder einzelne der schießwütigen Männer und auch der Bandenchef und (Mit-)Täter Harloff die vielen Schüsse und eine Ausweitung der Gefahr in der konkreten Situation nicht kontrollieren konnte (Schießen unter Drogeneinfluss), spricht hier für ein gemeingefährliches Mittel. Ein Erzähler, der nach der „Schlacht“ durch das Bild läuft, verkündet: „So mancher unter Harloffs Männern schießt im Rausch auf Seinesgleichen“. Das verdeutlicht die Unberechenbarkeit.

Daneben kommt auch noch das Mordmerkmal der Verdeckungs- bzw. Ermöglichungsabsicht vor, als Harloff die für ihn spionierende Polizistin auf einem Hinterhof erschießt.

Rache als niedriger Beweggrund kommt mehrfach in diesem Tatort vor. Der Sohn David Harloff, der nach Aussage des Vaters Richard Harloff nur großgezogen wurde, um von seinem biologischen Vater Felix Murot erschossen zu werden, erwürgt den Vater Richard nach diesem Geständnis mit bloßen Händen.

Neben all diesen Szenen, die einen Tatort eben zum Tatort machen, ist dieser Film gespickt mit Elementen und Anspielungen aus Kunst und Kultur. Dieser Tatort ist nicht gewöhnlich, er ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.

wwww.verteidiger-berlin.info

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2 Antworten

  1. Blogleser sagt:

    Toller Beitrag! Ich glaube, ich schaue mir diesmal den Tatort in der Mediathek an. Danke!

  1. 27. Oktober 2014

    […] leichter Fall, den Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) am 26. Oktober 2014 im Tatort zu lösen hatte. Ein vergewaltigter Toter, dessen Witwe sich eher zu ihrem Schwager, also des […]

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