Kann das bloße Klingeln an einer Haustür bereits einen versuchten Diebstahl darstellen?
Da nicht nur vollendete, sondern auch versuchte Delikte strafbar sein können, beschäftigt sich der Bundesgerichtshof seit jeher mit der Abgrenzung der Versuchsstrafbarkeit zur straflosen Vorbereitungshandlung. Zweifelslos fällt nicht jede Vorbereitungshandlung einer Straftat unter die Versuchsstrafbarkeit.
Andernfalls wären derjenige, der sich vornimmt einen Wohnungseinbruchsdiebstahl zu begehen, dies jedoch unterlässt, da er es sich auf dem Weg dorthin anders überlegt und jemand, der erfolglos versucht, eine Wohnungstür aufzubrechen, gleichsam wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls zu bestrafen.
Einen Ansatzpunkt zur Unterscheidung des strafbaren Versuchs und der straflosen Vorbereitungshandlung liefert § 22 StGB, der den Begriff des Versuches bestimmt. Danach versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Die Tatbestandsverwirklichung bleibt dabei jedoch aus. Gemäß § 23 StGB ist die Versuchsstrafbarkeit bei Verbrechen, also Straftaten mit einem Mindestmaß einer einjährigen Freiheitsstrafe, und Vergehen, bei denen das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht, möglich.
Was genau unter unmittelbarem Ansetzen zu einer Tat zu verstehen ist, hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen Urteilen konkretisiert. Das Versuchsstadium erstreckt sich schon auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung unmittelbar einmünden sollen. Es ist demzufolge erforderlich, dass man zur objektiven Angriffshandlung ansetzt und das geschützte Rechtsgut in eine konkrete, nahe Gefahr bringt. Man spricht hierbei von der Überschreitung der Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“.
Mit der Frage, ob diese Schwelle bereits durch Klingeln an der Wohnungstür eines potenziellen Opfers überschritten ist, hat sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 08. Mai 2018 – StR 108/18 beschäftigt.
Die Beschuldigten hatten sich dort zu einer Bande zusammengeschlossen. Gemäß der Bandenabrede wollten sie sich in arbeitsteiligem Vorgehen an den Wohnungsschlüsseln älterer Menschen bemächtigen um dann in die Wohnung einzudringen und dort Wertgegenstände zu entwenden. Hierzu klingelten sie an der Wohnungstür eines 103-jährigen Mannes, welcher die Tür mit vorgelegter Sicherungskette öffnete. Die Beschuldigten baten den Wohnungsinhaber unter einem Vorwand um Einlass. Da der Anblick unbekannter Personen beim Wohnungsinhaber Misstrauen erweckte, schloss dieser die Tür, weshalb die Beschuldigten den Einbruchsdiebstahl nicht ausführen konnten.
Nach Auffassung des Landgerichts Berlin stellte bereits das Klingeln an der Wohnungstür einen versuchten schweren Bandendiebstahl dar. Anderer Auffassung war hingegen der Bundesgerichtshof. Die Beschuldigten hätten zwar bereits wichtige Vorbereitungshandlungen ausgeführt, vor der Diebstahlshandlung wäre jedoch noch weitere wesentliche Zwischenschritte erforderlich gewesen. Der Wohnungsinsasse hätte zunächst die Sicherungskette abnehmen müssen, den Beschuldigten die Tür öffnen, sie eintreten und sich von diesen ablenken lassen müssen. Erst dann hätten sie die Wohnung nach Wertgegenständen durchsuchen und diese an sich nehmen können.
Demzufolge sollte das Klingeln allein noch nicht unmittelbar in die Wegnahmehandlung des Diebstahls einmünden. Man kann hier also noch nicht von einem unmittelbaren Ansetzen nach dem Tatplan sprechen, weshalb eine Versuchsstrafbarkeit der Bandenmitglieder nicht in Betracht kommt.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin