Kann die Beteiligung an einer Schlägerei straflos sein?

Es ist unumgänglich, sich in der juristischen Ausbildung mit dem Tatbestand der Beteiligung an einer Schlägerei gemäß § 231 StGB zu befassen. Sie kann einem in strafrechtlichen Klausuren und in der Praxis immer wieder begegnen.

Wer sich an einer Schlägerei oder an einem von mehreren verübten Angriff beteiligt, wird schon wegen dieser Beteiligung nach § 231 Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn durch die Schlägerei oder den Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) verursacht worden ist. Nach § 231 Abs. 2 StGB macht sich nicht strafbar, wer an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt war, ohne daß ihm dies vorzuwerfen ist.

Ob die Beteiligung an einer Schlägerei straflos ist, ist häufig Gegenstand von Gerichtsurteilen. Jüngst mussten sich auch die Karlsruher Richter im Rahmen eines Urteils vom 27. März 2024 (2 StR 337/23) mit dieser Frage auseinandersetzen. Folgender Sachverhalt hatte sich zugetragen:

Anlässlich eines vorangegangenen Verkehrsgeschehens ereignete sich zwischen zwei Zeugen eine verbale Auseinandersetzung, die sich jedoch alsbald beruhigte. Der Nebenkläger und ein weiterer Zeuge traten jedoch nunmehr hinzu und begannen einen der Zeugen anzugehen, indem sie diesen öfters Schubsten. Auch gegenseitige Beleidigungen wurden ausgetauscht. Zu diesem Geschehen stießen mindestens vier weitere Personen hinzu, die den angegangenen Zeugen vor sich hertrieben. Der Zeuge war jedoch in der Lage, sich der Situation jederzeit entziehen zu können.

Der alkoholisierte Angeklagte und der ebenfalls alkoholisierte Mitangeklagte konsumierten zu diesem Zeitpunkt in einer nahegelegenen Wohnung Alkohol. Nachdem sie laute Stimmen von der Straße vernahmen, beobachteten sie das Geschehen vom Wohnungsfenster aus. Sie erkannten die Person in der Menschentraube als Kundschaft des an der Straßenecke gelegenen Kiosks und wussten „darum (…), dass diese immer wieder aggressiv auftreten“.  Ohne vorherige Absprache liefen sie hinaus, um den Zeugen, den sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt hatten, zu unterstützen. Im Zuge der Rangelei schlug der Angeklagte um sich und traf dabei auch den Geschädigten, woraufhin es zwischen ihnen zu wechselseitigen Faustschlägen kam. Der Nebenkläger fiel im Rahmen der körperlichen Auseinandersetzung durch eine Einwirkung gegen seinen Oberkörper ungebremst rückwärts mit dem Hinterkopf auf den Asphalt und zog sich eine schwere Kopfverletzung zu, die mehrwöchige stationäre Behandlungen mit sieben Operationen zur Folge hatten.

Das Landgericht Aachen hat dieses Geschehen als Beteiligung an einer Schlägerei gemäß § 231 Abs. 1 StGB gewertet und die Voraussetzungen eines Strafbarkeitsausschlusses nach § 231 Abs. 2 StGB verneint. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen der Beteiligung an einer Schlägerei nach § 231 Abs. 1 StGB. Nach Ansicht der Karlsruher Richter lagen die Voraussetzungen eines Strafbarkeitsausschlusses gemäß § 231 Abs. 2 StGB nicht vor. Insoweit führten sie aus, dass dieses dann anzunehmen sei, wenn zugunsten des Beteiligten ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund eingreife. Erforderlich sei jedoch, dass der Beteiligte zu keinem Zeitpunkt vorwerfbar am Gesamtgeschehen teilgenommen habe, also während der gesamten Zeit seiner Beteiligung entweder gerechtfertigt oder entschuldigt handelte. Falls die Beteiligung nicht insgesamt durch einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund gedeckt sei, sondern nur eine Teilhandlung, die einen weiteren Tatbestand erfülle, so sei nur die Verwirklichung dieses Tatbestands gerechtfertigt oder entschuldigt, nicht allerdings die Beteiligung an der Schlägerei als solche.

Im Besonderen legten der BGH dar, dass entgegen der Auffassung der Revision, eine etwaige Nothilfe gemäß § 32 Abs. 1 StGB zugunsten des Zeugen nicht sämtliche festgestellte Beteiligungshandlungen des Angeklagten rechtfertige. Insoweit führten das Gericht aus, dass der Angeklagte sich nicht auf die Angreifer beschränkte, sondern vielmehr inmitten der Menschensammlung um sich schlug, wobei er neben dem Angreifer mindestens eine weitere Person traf. Durch das ungezielte „Um-sich-Schlagen“ inmitten der Menschenmenge gefährdete der Angeklagte folglich auch solche Personen, die sich an dem Angriff auf den Zeugen nicht oder lediglich verbal beteiligt hatten.

Die Voraussetzungen eines rechtfertigen Notstands gemäß § 34 StGB verneinte das Gericht ebenfalls. Das „Um-sich-Schlagen“ des Angeklagten stelle kein angemessenes Mittel im Sinne des § 34 Satz 2 StGB dar, weil die hierdurch verursachte Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Umstehenden in keinem Verhältnis zu der Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit des Zeugen stünde, der sich dem Geschehen zudem problemlos durch Weglaufen hätte entziehen können. 

Auch ein Erlaubnistatumstandsirrtum im Sinne einer „Putativnotwehr“ des Angeklagten sei nach den Urteilsgründen nicht anzunehmen. Voraussetzung hierzu wäre, dass er sich irrtümlich vorgestellt habe, dass sämtliche der von ihm durch das „Um-sich-Schlagen“ gefährdeten Personen an dem Angriff auf den Zeugen beteiligt waren oder dass ein Angriff von Seiten dieser Personen jedenfalls unmittelbar bevorstünde.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin-Kreuzberg

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