Keine Grenzwerte bei Kokainkonsum, bei deren Überschreitung die absolute Fahruntüchtigkeit begründet werden kann
Strafbar nach § 316 StGB macht sich, wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses von alkoholischer Getränke oder anderen berauschenden Mitteln nicht in der Lage dazu ist.
In seiner Entscheidung im Verfahren (524) 11 Ju Js 1853/10 (36/11), 524 – 36/11 stellte das Landgericht Berlin fest, dass die Überschreitung der festgelegten Grenzwerte von 10 ng/ml Kokain, im Gegensatz zu dem bei Alkoholkonsum festgelegten Grenzwert von 1,1 ‰, nicht zur Annahme einer absoluten Fahruntüchtigkeit gem. § 316 StGB führt. Die beschriebene Mindestmenge stellt lediglich ein sicheres Indiz für Kokainkonsum dar.
Zwar erkennt das Landgericht Berlin einen Widerspruch darin, dass der Erwerb von Drogen strafrechtlich sanktioniert wird, während es ungestraft bleibt sich unter Drogeneinfluss ans Steuer zu setzen. Es führt jedoch aus, dass dieser Widerspruch nicht durch die Aufstellung irgendwelcher Grenzwerte von Gerichten selbst, sondern nur vom Gesetzgeber gelöst werden kann.
So konnte die Angeklagte, bei der trotz 14 ng/ml Kokain keinerlei Auffälligkeiten in ihrem Fahrverhalten festgestellt werden konnten, lediglich zu einer Geldstrafe von 500,-€ wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit verurteilt werden.
@Debe
Das sehe ich nicht so. Aus zwei Gründen.
1) Liste aller Rauschmittel
Zunächst sind die bisherigen Grenzen bei Alkohol (absolute Fahruntüchtigkeit: 1,1 Promille, relative Fahruntüchtigkeit: 0,3-0,5 Promille auch nicht gesetzlich normiert, sondern gefestigte (und in der Höhe immer mal wieder herabgesetzte) Rechtsprechung, die insofern auch keinen Vertrauensschutz genießt. Es wäre aber durchaus vorstellbar, dass der BGH entsprechende Grenzwerte festlegt, die je nach Droge herangezogen werden. Diese könnten auch jederzeit, d. h. bei Auftreten neuer Fälle, angepasst werden.
Selbstverständlich ist auch eine gesetzliche Liste mit allen möglichen Drogen und Grenzwerten denkbar, s. die drei Anhänge zum BtMG.
2) 0-Quote
Ich kann bereits nach einem Bier nicht mehr Autofahren. Das muss aber nicht allen so gehen. Maßgeblich ist doch, dass man (noch) “fähig ist, eine längere Strecke so zu steuern, dass [man] den Anforderungen des Straßenverkehrs – und zwar auch bei plötzlichem Auftreten schwieriger Verkehrslagen – so gewachsen ist, wie es von einem durchschnittlichen Fahrzeugführer zu erwarten ist” (Fischer StGB § 315c Rn 3a).
Insofern sind doch die Vermutungsregeln des BGH eine dufte Sache: bis zu einem Unterwert geht man davon aus, dass der Fahrfehler andere Ursachen als den Alkohol/die Drogen hat, bis zu einer Obergrenze darf man trinken/Drogen nehmen, solange man eben sicher fährt, muss sich bei einem Fahrfehler aber vorhalten lassen, dass der Alkohol/die Drogen doch gewirkt haben, und bei Überschreiten der Obergrenze lässt man es eben einfach bleiben.
Dass eine entsprechende Regelung mit festen Werten vom LG Berlin nicht getroffen worden ist, unterstütze ich dennoch: Solche Fragen kann ein Parlament viel besser beantworten als eine Kammer.
Ist dann das absolute Verbot (also Festlegung von 0-Konzentration als Maximum für alle berauschenden Substanzen) die logische Konsequenz? Man kann schließlich realistisch nicht eine Liste aller Rauschmittel ins Gesetz packen und aktuell halten – ausserdem passt die 0-Quote auch sinngemäß am besten zum harten Rauschgiftverbot in Deutschland.