Keine Strafschärfung, wenn der Angeklagte die Falschaussage eines Zeugen duldet
Zeugen sind die wohl schlechtesten Beweismittel im Strafprozess. Manche von ihnen erinnern sich gar nicht oder haben ihre fehlende Erinnerung unbewusst durch andere Wahrnehmungen ergänzt bzw. ausgetauscht. Andere hingegen erzählen dem Gericht ganz bewusst die Unwahrheit und machen sich damit einer Falschaussage strafbar. Wie der Angeklagte sich verhalten oder nicht verhalten muss, wenn ein Zeuge eine falsche Aussage zu seinen Gunsten macht, war kürzlich Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 21. Mai 2019 – 5 StR 231/19. In dieser hob der BGH ein Urteil des Landgerichts Leipzig im Strafausspruch auf, weil das Landgericht strafschärfend berücksichtigt hatte, dass der Angeklagte die falsche Aussage eines Zeugen geduldet hatte.
Dem Angeklagten wurde schwerer räuberischer Diebstahl vorgeworfen. In der Hauptverhandlung trat der ihm verbundene Zeuge M. auf und belastete sich selbst. Eine Beteiligung des Angeklagten stritt er ab und gab an, dass der Angeklagte nicht in der gegenständlichen Wohnung gewesen sei. Die Angaben des Zeugen M. sah das Gericht im Laufe der Verhandlung als widerlegt an und verurteilte den Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls.
Bei der Strafzumessung führte das Landgericht aus, dass der Angeklagt in der Hauptverhandlung nicht eingeschritten sei, als der Zeuge M. sich falsch belastete und sich so der Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung wegen eines Aussagedeliktes ausgesetzt habe. Dass der Angeklagte den Zeugen zu den Angaben verleitet oder ihn in Kenntnis dessen Bereitschaft zur Falschaussage als Zeugen benannt hätte, hat das Landgericht hingegen nicht festgestellt. Das bloße Dulden einer falschen Zeugenaussage darf aber nach der Rechtsprechung des BGH nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden. Nur in Ausnahmefällen, in denen das Dulden von Falschaussagen besondere Rechtsfeindlichkeit und Uneinsichtigkeit ausdrückt, dürfen Gerichte dieses Prozessverhalten strafschärfend berücksichtigen.
Der Angeklagte muss demnach nicht einschreiten, wenn eine Zeuge plötzlich und unerwartet eine Falschaussage zu seinen Gunsten macht.
Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafecht aus Berlin
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