Keine versuchte Anstiftung zum Mord bei Entscheidungsvorbehalt
Der Bundesgerichtshof hatte sich erneut mit einem „Auftragskiller-Fall“ zu beschäftigen. Hintergrund war, dass der Angeklagte seine Ehefrau von einem „Auftragsmörder“ töten lassen wollte. Von dem Landgericht wurde er wegen versuchter Anstiftung zum Mord im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit Beschluss vom 08. Mai 2019 – 1 StR 76/19 – hob der BGH das angefochtene Urteil auf und traf eine eigene Entscheidung in der Sache – Freispruch!
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte einen Hinweis auf einen potenziellen Auftragsmörder erhalten. Der Angeklagte suchte die betreffende Person auf, verlangte die Tötung seiner Ehefrau und bot dafür insgesamt 50.000 € in bar an, davon 5.000 € als Anzahlung. Was der Angeklagte dabei nicht wusste war, dass es sich bei dem vermeintlichen Auftragsmörder um eine Vertrauensperson der Polizei (V-Mann) handelte. Der V-Mann hielt zunächst Rücksprache und vereinbarte dann ein weiteres Treffen, an dem auch ein verdeckter Ermittler teilnahm. Dieser gab vor, die Tötung zu organisieren. Man einigte sich auf einen Preis von 40.000 €.
Nachdem der potenzielle Tatort ausgekundschaftet und weitere Einzelheiten besprochen worden waren, betonte der verdeckte Ermittler, dass der Angeklagte ihm den Zeitpunkt der Tatausführung überlassen solle; er habe bereits „seinen Mann“ hierzu eingeflogen. Der Angeklagte teilte das Autokennzeichen sowie den Namen seiner Ehefrau mit. Zudem zeigte der Angeklagte dem vermeintlichen Auftragsmörder auch sein eigenes Haus „als Garantie“, dass er wirklich zahlen werde. Andernfalls könne man ihn aufsuchen und ebenfalls töten. Um keine Anzahlung leisten zu müssen, versuchte der Angeklagte sodann telefonisch einen Freund zur Gewährung eines Darlehens zu bewegen, was jedoch nicht gelang. Der Angeklagte versicherte gleichwohl, dass er den Freund bald erneut um ein Darlehen bitten und dann anrufen werde. Das Geld werde er in jedem Fall bezahlen. Schließlich war der Angeklagte davon überzeugt, dass er den verdeckten Ermittler tatsächlich dazu gewonnen hatte, die Ehefrau entweder selbst oder durch einen „Mitarbeiter“ zu töten, sobald die vereinbarte Anzahlung geleistet oder der Freund die Darlehenszusage erteilt hätte.
Am nächsten Tag rief der Angeklagte den verdeckten Ermittler an und sagte, dass die Tatausführung derzeit nicht möglich sei, weil sich seine Frau im Krankenhaus befinde (tatsächlich war die Ehefrau von der Polizei gewarnt worden und hatte sich in Sicherheit gebracht). Der Angeklagte gab vor, dass ihm das Darlehen zugesagt worden sei; der verdeckte Ermittler müsse aber noch Wochen oder Monate auf das Geld warten. Auf Nachfrage bestätigte der Angeklagte, dass er weiterhin die Tötung seiner Ehefrau wünsche. Wenn er den verdeckten Ermittler anrufe, „sei alles klar“. Zu weiterem Kontakt kam es nicht.
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als versuchte Anstiftung zum Mord gewertet, §§ 30 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, 211 StGB. Der BGH stellt jedoch klar, dass schon der Tatbestand nicht erfüllt ist. Der Angeklagte habe keinen Bestimmungsversuch begangen, weder gegenüber dem V-Mann noch gegenüber dem verdeckten Ermittler.
Der Angeklagte habe noch nicht zum Versuch angesetzt. Ausgehend von den allgemeinen Anforderungen an den Versuchsbeginn sei letztlich auf der Seite des Anstifters diejenige Bestimmungshandlung entscheidend, mit der der Anstifter nach seiner Vorstellung dem Anzustiftenden die weiteren Schritte zur Tatbegehung überlasse.
Dem V-Mann habe der Angeklagte schon nicht genug Informationen über die Identität seiner Ehefrau gegeben, sodass dieser überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre, die Frau zu töten. Gegenüber dem verdeckten Ermittler habe er den gewünschten Mord zwar ausreichend konkretisiert. Nach Vorstellung des Angeklagten habe jedoch sein Anruf als der entscheidende Schritt zum Ansetzen zur Tatausführung noch ausgestanden.
Zunächst habe man sich darüber geeinigt, dass der Angeklagte den verdeckten Ermittler über die Einholung der Darlehenszusage informieren solle. Es habe also hinsichtlich dieses „Startzeichens“ ein stillschweigender Entscheidungsvorbehalt vorgelegen. Der Angeklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass der verdeckte Ermittler schon früher tätig wird; insofern habe er die Entscheidungsbefugnis über die Begehung der Tat noch nicht aus der Hand gegeben.
Der später erfolgte Anruf des Angeklagten bei seinem Freund sei nach Auffassung des BGH aber auch nicht als Beginn des Versuchs anzusehen. Denn die Beweiswürdigung habe ergeben, dass es den Beteiligten auf die tatsächliche Darlehenszusage angekommen sei. Dass insofern schon der Anruf bei dem Freund des Angeklagten für den verdeckten Ermittler als Garantie zu verstehen gewesen sei, sei nicht mit Tatsachen belegt. Zwar habe der Angeklagte danach gegenüber dem verdeckten Ermittler telefonisch die Darlehenszusage (wahrheitswidrig) erklärt, jedoch sei auch zu diesem Zeitpunkt aufgrund des „überholenden Geschehensablaufs“, nämlich die Abwesenheit der Ehefrau, immer noch ein weiterer Anruf des Angeklagten für den Versuchsbeginn erforderlich gewesen. Der Angeklagte habe erkannt, dass eine Tatbegehung durch den verdeckten Ermittler „noch nicht möglich war und es der entscheidenden Einwirkung auf diesen noch bedurfte. Da der Angeklagte nicht wusste, wo sich seine Ehefrau aufhielt, legte er als „Startzeichen“ einen weiteren Telefonanruf fest. Erst mit dem Beginn eines solchen weiteren in Aussicht gestellten Anrufs hätte der Angeklagte unmittelbar zum Bestimmungsversuch angesetzt. Das zunächst maßgebliche Abstellen auf die Darlehenszusage war durch das In-Sicherheit-bringen der Nebenklägerin „überholt“. Der Angeklagte bestand aus seiner Sicht noch rechtzeitig vor einem Ansetzen zur Tatbestimmung auf einem Entscheidungsvorbehalt […]“.
Nach Ansicht des BGH sei angesichts der detaillierten Feststellungen des Landgerichts eine weitere Sachaufklärung zum Nachteil des Angeklagten nicht zu erwarten. Daher hat der BGH gemäß §§ 354 Abs. 1, 349 Abs. 4 StPO selbst in der Sache entschieden, das Urteil des Landgerichts aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.